Tokenisierung – Potenziale, Herausforderungen und Use Cases im Umfeld der Finanzindustrie – Teil 2

Dieser Beitrag ist der zweite Teil unserer dreiteiligen Serie zum Thema «Tokenisierung – Potenziale, Herausforderungen und Use Cases im Umfeld der Finanzindustrie». Der zweite Beitrag ist in Zusammenarbeit mit Markus Abbassi (Head Digital Assets, Kaleido Privatbank) entstanden, der seine fachliche Expertise eingebracht sowie Struktur und Inhalt des Artikels einer kritischen Prüfung unterzogen hat. Wir danken Markus für seinen wertvollen Input und den angeregten Austausch.

Im ersten Teil der Beitragsserie zum Thema «Tokenisierung» wurde der Begriff eingeordnet, Potenziale identifiziert und erste Anwendungsfälle skizziert. Im zweiten Teil werden konkrete Anwendungsfälle im Kontext von Finanzinstituten vorgestellt, der Wert der Tokenisierung für (End-)Kunden analysiert sowie offene Punkte adressiert.

Im Sinne des gemeinsamen Verständnisses wird die Definition von Tokenisierung bzw. des Tokens aus dem ersten Teil angewendet[1]:

  • Ein Token ist eine digitale Abbildung von Rechten und Pflichten, welche einem Wert zugeordnet werden können.
  • Unter dem Begriff Wert werden zum einen Wertgegenstände wie Schmuck oder Kunstwerke verstanden. Zum anderen umfasst dieser Begriff auch Wertpapiere, Zutrittsrechte (z.B. ein Konzertticket) oder Immobilien.
  • Für die Abbildung von Rechten und Pflichten in Form eines Tokens wird die Blockchain-Technologie verwendet.

Im Folgenden werden drei Anwendungsfälle aufgezeigt, welche mittels Tokenisierung einen zusätzlichen Wert für Kunden sowie das Unternehmen schaffen möchten. Hierbei werden der Anwendungsfall skizziert, beteiligte Stakeholder aufgezeigt sowie ausgewählte Herausforderungen diskutiert. Die Positionierung von Finanzinstituten im Kontext der Tokenisierung sowie der relevanten Business Ecosysteme ist Gegenstand des dritten und letzten Teils dieser Beitragsserie.

Kapitalbeschaffung und Direktinvestments – Tokenisierung von illiquiden Wertpapieren

Die Tokenisierung von Wertschriften/Effekten, bzw. deren Emission in Form eines Tokens, verspricht grosses Potenzial entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das heisst konkret im Bereich der Emission, des Handels, der Abwicklung (Clearing und Settlement) sowie in der Administration. Es gilt dabei zu unterscheiden, ob bestehende Wertpapiere zusätzlich tokenisiert oder direkt als Token auf einer Blockchain emittiert werden (sogenannte native Tokenisierung). Beide Varianten werden heute praktiziert und eine hybride Übergangslösung ist in der Praxis und Realität für die Durchsetzung einer Technologie notwendig. Für den Anwendungsfall der Kapitalbeschaffung und der Direktinvestments wird angenommen, dass die Wertpapiere nativ als Token begeben werden.

Im vergangenen Jahrzehnt wurde für kleinere Firmen und Projekte die Finanzierung mittels Crowdfunding immer populärer. Investoren kamen als Gegenleistung für ein Investment oftmals als erste in den Genuss einer ersten Produktlösung, konnten aber langfristig nur eingeschränkt an das Unternehmen und die Marke gebunden werden. Die Beteiligung von Frühphasen-Investoren über Aktien war aufgrund einer aufwändigen Administration beim Führen des Aktienbuchs und bei der Übertragung der Anteilsscheine aufgrund der Formvorschriften oftmals auch keine Option. Aus Sicht des Unternehmens mit Finanzierungsbedarf kann Kapital hingegen mittels Tokenisierung – im Vergleich zu traditionellen Wegen via Investmentberater und Banken – auf den ersten Blick vergleichsweise kosteneffizient aufgenommen werden. Die tieferen Kosten entstehen erst durch den Wegfall von Intermediären (z.B. Crowdfunding Plattform oder später gar Investmentbanken), in einem zweiten Schritt aber auch durch die hoch automatisierte Abwicklung der Emission der Wertpapiere sowie üblicherweise den Vertrieb über digitale Plattformen. Der Handel im Sekundärmarkt kann wiederum auf spezialisierten Handelsplattformen stattfinden. So betreibt die Berner Kantonalbank (BEKB) mit SMEX beispielsweise eine dedizierte Handelsplattform in Form eines organisierten Handelssystems für tokenisierte Wertpapiere[2].

Im späteren Verlauf des Unternehmenslebenszyklus bieten als Token emittierte Wertschriften zusätzlich die Vorzüge, das Aktienregister Blockchain-basiert zu führen und somit einen hohen Automatisierungsgrad zu erreichen. Im Kontext der DLT-Gesetzgebung wird ein Blockchain-basiertes Aktionärsregister als Wertrechtregister bezeichnet[3].[NK1]  Die technische Grundlage hierfür bilden Smart Contracts[4] und rechtlich ist dies mittels elektronischen Registerwertrechten in der Schweiz abbildbar[5]. Im Gegensatz zu einem traditionellen Aktienregister werden die Einträge in dieses unmittelbar nach dem erfolgten Handel bzw. der Emission des Tokens auf der Blockchain ersichtlich und machen ein proaktives Eintragen seitens des Aktionärs überflüssig. Für Unternehmen ist dadurch jederzeit ersichtlich, wer wie viele Anteile hält und die Übertragung kann mittels Tokens erfolgen. Findet zu einem späteren Zeitpunkt gar eine Unternehmensveräusserung statt, so kann wiederum auf aufwändige Schritte zur Nachvollziehung und zur Aktualisierung des Aktienregisters verzichtet werden.

Auf den zweiten Blick entstehen für Unternehmen aber auch neue Kosten für die Begebung von tokenisierten Wertpapieren. Beispielsweise kann die Bewerbung des Tokens genannt werden, welche durch das Unternehmen selbst oder durch einen Partner erfolgt (z.B. die digitale Handelsplattform für den begebenen Token) und somit die Vertriebstätigkeit einer Investmentbank substituiert. Ebenso ist es im Interesse des Unternehmens, eine umfassende Due Diligence zu den Emissionspartnern (z.B. Technologieunternehmen) oder der verwendeten Technologie selbst oder durch Dritte durchzuführen (z.B. Audit des Smart Contracts, der rechtlichen Situation mittels Legal Opinion etc.). Gerade Kosten im technischen Bereich können durch eine Standardisierung des Token Smart Contracts, wie es beispielsweise die Capital Markets and Technology Association (CMTA) vorschlägt[6], reduziert werden. Gleichzeitig sind solche Standards hilfreich, wenn es um die Interoperabilität zwischen verschiedenen Handelsplätzen geht. Nichtdestotrotz können diese Aufwände die realisierten Kosteneffizienzen durch die Begebung als Token oftmals nachteilig beeinflussen.

Für Investoren bieten tokenisierte Wertpapiere die Möglichkeit für ein Direktinvestment in bisher nicht börsengehandelte Unternehmen. Motivatoren für ein Investment sind neben dem potenziellen ökonomischen Ertrag auch die Möglichkeit, sich an einem emotional interessanten Unternehmen zu beteiligen (z.B. einen Fussballverein). Eine rein finanzielle Investition wird in diesem Fall mit einer Marketingbestrebung verbunden, um so beispielsweise die Kundenbindung zu stärken oder gar auszubauen.

In der Schweiz bieten u.a. die Unternehmen Daura AG sowie Aktionariat AG (beide Sitz in Zürich) Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungskette für tokenisierte Wertpapiere an. Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass etablierte Finanzinstitute und Infrastrukturbetreiber mit den Unternehmen kooperieren, z.B. die BEKB, die SIX Digital Asset Exchange (SDX) mit Daura AG[7] bzw. die SDX mit Aktionariat AG[8].

Aus Sicht eines Finanzinstitutes bieten tokenisierte Wertpapiere eine Positionierungsmöglichkeit gegenüber Endkunden als Anbieterin von Direktinvestments in KMU. Die Verwahrung der Token – und somit der mit dem Investment verbunden Rechten und Pflichten – kann durch das Finanzinstitut oder durch spezialisierte Dritte vorgenommen werden. Herausfordernder sind hingegen für Finanzinstitute die Zulassungskriterien zu solchen Investments. Welche Art von Due Diligence ist notwendig und auch zulässig, um Risiken wie beispielsweise beim Investorenschutz, effektiv zu mitigieren. Eine Research Coverage durch verschiedene Finanzinstitute wäre natürlich wünschenswert, da im Vergleich zu Venture Capital in diesem Falle ein Lead Investor mit den relevanten Branchen- und Unternehmenskenntnissen fehlt, welcher normalerweise die Prüfung vorab vornimmt. Für Investoren hat der Bezug von tokenisierten Wertpapieren über ein Finanzinstitut den Vorteil, dass das tokenisierte Wertpapier im Rahmen des Depotauszuges sowie des Performanceausweises sichtbar ist, z.B. für die Steuererklärung. Hingegen kann davon ausgegangen werden, dass das Finanzinstitut für die Dienstleistungen (z.B. den Handel des Tokens, Corporate Actions wie Dividendenzahlungen etc.) im Gegensatz zu einer reinen Selbstverwahrung eine Gebühr verrechnet.

Zugang zu emotionalen Assets – Tokenisierung von Kunst und einzigartigen Gegenständen

Eine andere Perspektive oder Motivation zur Tokenisierung erkennt man, wenn man über so genannte emotionale Vermögenswerte oder Assets spricht. Unter dem Begriff emotional Assets werden Werte verstanden, zu welchen eine emotionale Bindung besteht wie beispielsweise Sammelobjekte wie Kunstwerke, Trading Cards oder Oldtimer[9].

Tokenisierte Emotional Assets (TEA) verbindet mit tokenisierten Wertpapieren, dass diese mittels Tokenisierung effizient übertragbar, fragmentierbar oder gar handelbar gemacht werden können. Der Begriff Fragmentierung beschreibt die Aufteilung des Assets in Bruchstücke, z.B. mittels Aktien. Aktien haben jedoch eine Mindeststückelung von einer einzelnen Aktie, Token hingegen können nahezu beliebig gestückelt werden (z.B. 0.01 Token). Insbesondere letzteres ist in diesem Kontext interessant, denn bisher haben Investoren und Fans oftmals das gesamte Asset erworben, um damit verbundene Rechten und Pflichten ausüben zu können (z.B. den Oldtimer zu fahren, die Trading Cards zu handeln etc.).

Bereits in der traditionellen Finanzwelt ist es möglich, Anteile an emotionalen Assets zu erwerben, so zum Beispiel über die Gründung eines Special Purpose Vehicle (SPV)[10]. Das SPV kauft das Asset und bucht es auf der Aktivseite, während Investoren wiederum die Aktien des SPV erwerben und somit indirekten Zugang zum Vermögenswert erhalten. Je nach Vermögenswert und Strukturierung kann eine Tokenisierung im Vergleich zum Erwerb eines Assets mittels SPV kosteneffizienter sein und es können auch Bruchteile des Assets erworben, gehandelt und verkauft werden. Ebenso fallen oftmals die zusätzlichen Kosten für eine rechtliche Hülle (das SPV) nicht an.

Aus einer vertriebsorientierten Perspektive verspricht die Tokenisierung in Kombination mit der Fragmentierung des emotionalen Assets einen tieferen Einstandspreis pro Anteil. Dadurch können Zielgruppen mit eingeschränktem frei verfügbaren Investitionskapital angesprochen werden (unter Einhaltung der regulatorischen Vorschriften, z.B. Anlegerklassifizierung gemäss Fidleg in der Schweiz bzw. Mifid-II in der EU). Für Finanzinstitute bietet die Tokenisierung von emotional Assets eine Möglichkeit bestehende Kunden durch den zusätzlichen Service enger zu binden. Welches Asset tokenisiert werden soll, ist hierbei nahezu vollständig der Vorstellungskraft des Investors überlassen (z.B. Rechte an Musiktiteln etc.). Ebenfalls können neue Kundensegmente [NK2] erschlossen werden, z.B. Auktionshäuser, Galerien, Museen oder Künstler. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass die Nachfrage nach emotionalen Assets nicht automatisch steigt, weil es tokenisiert ist. Auch hier geht es primär um die Steigerung der Prozesseffizienz und nicht um die Steigerung der Attraktivität des Vermögenswertes durch die Tokenisierung.

Eine Herausforderung bei der Tokenisierung von emotionalen Assets beinhaltet die Verwahrung des zugrundeliegenden Assets, z.B. des Kunstwerkes oder des Oldtimers. Hierbei sind verschiede Bereiche abzudecken, z.B. die Instandhaltung des Kunstwerkes, die Versicherung des physischen Assets oder nicht zuletzt die Preisfindung. Da tokenisierte Assets oftmals einen hohen Preis aufweisen (z.B. ein Oldtimer oder ein Kunstwerk), sind besondere Sicherheitsmassnahmen für die physische Verwahrung zu treffen, welche z.B. durch Zollfreilager oder spezialisierte Dienstleister bereitgestellt werden. Diese Vorgehensweise hat den Nachteil, dass das Asset durch den Verschluss vermehrt zum finanziellen anstelle des emotionalen Investments wird. Eine weitere Herausforderung ist das Management dieses Business Ecosystems, welches aus unterschiedlichen Spezialisten sowie Branchen besteht. Die möglichst effiziente und effektive Zusammenarbeit aller Beteiligten ist essenziell für die Werthaltigkeit des Tokens sowie dessen Handelbarkeit (z.B. physischer Verwahrer des Kunstwerkes, Technologieanbieter für Token, Gutachter für Zustand und Wert des Kunstwerkes, Liquiditätsanbieter für Sekundärmarkt etc.).

Die Liechtensteiner VP Bank bietet ihren Kunden die Möglichkeit, verschiedene Werte zu tokenisieren[11]. Beispielhaft sind Kunstwerke oder Uhren aufgeführt, deren Token bei der VP Bank verwahrt werden. Anstatt sich gegenseitig auszuzahlen oder schlimmstenfalls das TEA gar gesamthaft an eine Drittpartei veräussern zu müssen, um alle Erbberechtigten auszuzahlen, erhalten diese Token, welche ihren prozentualen Anteil am Emotional Asset repräsentieren. Der Token wiederum kann bestenfalls gar als Sicherheit für eine Finanzierung bzw. Kredit hinterlegt werden. Somit bleibt das emotional Asset der Erbengemeinschaft erhalten und gleichzeitig kann Liquidität in Form von Fiat-Währungen generiert werden. Auch in diesem Beispiel werden wiederum Prozessabläufe und Implementierungen durch die Technologie effizienter gestaltet, jedoch wird auch hier ein Asset nicht zwangsläufig liquider oder gar gehandelt. Für letzteres sind wiederum weitere Schritte notwendig. Ein weiterer Vorteil von tokenisierten emotional Assets ist die Abbildung des Tokens im Depot des Kunden. Somit werden verschiedene Vermögenswerte sowie deren allfällige Performance für Kunden auf einen Blick ersichtlich. Zusätzlich kann der Vermögensausweis für die Steuererklärung verwendet werden und spart dadurch Zeit und Ressourcen für den Kunden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Abbildung von Rechten und Pflichten mittels Token werden in diesem Anwendungsfall durch das Liechtensteiner TVTG bereitgestellt[12].

Einen leicht anderen Weg hat die Schweizer Bank Sygnum gewählt und positioniert sich als Full-Service-Provider für tokenisierte Assets. Neben der Emission von Token über die eigene Infrastruktur «Desygnate» wird mit «SygnEx» eine regulierte Handelsplattform für den Sekundärmarkt bereit gestellt[13], auf welcher Sygnum Kunden ihre Kauf- und Verkaufsabsichten solcher Token offenbaren können. Unter anderem wurden bereits wertvolle Weine[14] sowie Kunstwerke[15] tokenisiert.

Kunden in der Leistungserbringung unterstützen – Tokenisierung von Geld

Tokenisierung kann genutzt werden, die eigenen Kernkompetenzen in einer anderen Form, neuen Zielgruppen oder in Kombination mit weiteren Produkten und Dienstleistungen anzubieten. Insbesondere vertrauensbasierte Prozesse können durch den Einsatz der Blockchain-Technologie automatisiert sowie dadurch Skalierungspotenzial realisiert werden.

Hierbei kann ein Finanzinstitut die Positionierung als zentraler Intermediär und Ansprechpartner für verschiedene Kunden nutzen, um Interaktionen von Kunden untereinander zu unterstützen. Beispielhaft sind hierbei komplexe Lieferkettenbeziehungen zwischen Industrieunternehmen aufgeführt, welche über das Finanzinstitut gegenseitig Transaktionen abwickeln. Die Tokenisierung von Werten kann in diesem Kontext verschieden ausgeprägt sein, beginnend von Lieferverträgen zwischen Unternehmen, über die Automatisierung der Rechnungsprüfung und die effektive Zahlungsabwicklung via tokenisiertem (Buch-)Geld. Der ökonomische Wert einer tokenisierten Lösung, die Implementierung in die bestehende Infrastruktur des Finanzinstitutes sowie das interne Changemanagement sind erste Herausforderungen. Zusätzlich sind relevante Kunden für den Piloten zu gewinnen, valable Use Cases zu identifizieren und technisch mittels Token und Smart Contracts abzubilden. In der Folge stellen sich bei der Abwicklung dann auch weitere Fragen, insbesondere hinsichtlich der Orakel Problematik[16], bei welcher gegebenenfalls das Finanzinstitut die Rolle des Vertrauens einnimmt.

Die Commerzbank in Deutschland hat eine solche interne Plattform für die Abwicklung von Zahlungen zwischen Industrieunternehmen erfolgreich mit BASF und Evonik getestet[17]. Die Industrieunternehmen haben die Herausforderung, dass die Pflege der wechselseitigen Geschäftsbeziehungen, der Sicherstellung der Datenqualität oder die asynchrone Datenlage zwischen Verkäufer und Käufer, einen grossen administrativen Aufwand mit sich bringen. Bisher sind Bestell- und Bezahlprozess voneinander getrennt, dadurch bieten Medienbrüche z.B. Angriffsvektoren für Dritte. Eine Kopplung des Bestell- an den Bezahlprozess verspricht, verschiedene Ineffizienzen zu beseitigen, z.B. unterschiedliche Daten bei Käufer und Verkäufer. Die Commerzbank möchte diese mit der eigenen Plattform «Themis» adressieren.

Abbildung 1: Skizziertes Target Operating Model für Piloten der Blockchain-Plattform «Themis» der Commerzbank mit Evonik und BASF[18]

Die automatisierte Abwicklung von Transaktionen mittels tokenisiertem Buchgeld sowie Smart Contracts (z.B. Rechnungen, Lieferkonditionen etc.) bietet für alle drei beteiligten Unternehmen eine höhere Effizienz. Schlüsselelemente von Themis sind das tokenisierte Buchgeld und die Replikation der Lieferinhalte (z.B. Zahlungsziel, Skonto etc.) in Form von Smart Contracts. Beide Bestandteile stellen durch die automatisierte Abwicklung eine hohe Verfügbarkeit für Kunden sicher und erlauben weitere Services, z.B. Escrow für die Transaktion via Smart Contract oder die automatisierte Rechnungsprüfung durch den Käufer. Durch die Verwendung einer geschlossenen Blockchain (permissioned Blockchain), können Aspekte hinsichtlich des Datenschutzes und Bankgeheimnis adressiert werden[19], jedoch gleichzeitig die Vorteile einer hoch automatisierten Abwicklung sowie hoher, nutzerabhängigen Transparenz für alle Beteiligten sichergestellt werden.

Unternehmenskunden profitieren durch die Abwicklung mittels Token und Smart Contracts über eine höhere Effizienz, Settlement der Transkation oder präzisere Liquiditätsplanung durch die nahezu unmittelbare Verfügbarkeit des (tokenisierten) Buchgeldes. Zusätzlich wird dem Bedürfnis von Unternehmenskunden Rechnung getragen, dass die Transaktionsdetails (Bezahlung und Bestellung der Güter), nur eingeschränkt für die Teilnehmenden einsehbar sind. Die Bank positioniert sich als Plattformbetreiber für Kunden, als vertrauenswürdiger und neutraler Intermediär hinsichtlich Transaktionen und kann die Kundenbeziehung durch ein neues Angebot festigen sowie ausbauen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Tokenisierung von Werten im Kontext von Finanzinstituten bietet vielversprechende Anwendungsfälle, beginnend mit dem Direktinvestment in KMUs, über den Zugang zu emotional Assets bis hin zum Ausbau der eigenen Leistungserbringung gegenüber Kunden mittels Tokenisierung.

Diese Anwendungsfälle zeigen auf, dass der Einsatz der Blockchain-Technologie zur Abbildung von tokenisierten Werten neue Investitionsopportunitäten für Kunden erschliessen kann (Daura und Aktionariat), die Kundenbindung steigern kann (VP Bank und Sygnum) oder gemeinsam zusätzliche Opportunitäten ausgeschöpft werden können (Themis). Es gilt jedoch zu beachten, dass eine Tokenisierung nicht per se alle Herausforderungen lösen kann, sondern dass hauptsächlich Prozesseffizienzen im Vordergrund stehen.

Offen ist jedoch, welche Positionierungsmöglichkeiten für Finanzinstitute bestehen, wie geeignete Opportunitäten identifiziert, analysiert und bewertet werden können sowie welche Erfolgsfaktoren berücksichtigt werden müssen. Diese drei Themenschwerpunkte werden im Dritten und letzten Teil der Beitragsserie diskutiert.


Quellen

[1] Jocham, D. (2023). Tokenisierung – Potenziale, Herausforderungen und Use Cases im Umfeld der Finanzindustrie. CC-Ecosystems. https://ccecosystems.news/tokenisierung-potenziale-herausforderungen-und-use-cases-im-umfeld-der-finanzindustrie/  

[2] Was ist SMEX? (SME-X.ch, 2023); Abgerufen am 14.4.2023, von https://www.sme-x.ch/

[3] Schweizerisches Obligationenrecht, § 973ff

[4] Weitere Informationen: Was steckt hinter dem Begriff Decentralized Finance? (Jocham, 2022); Abgerufen am 24.5.2023, von https://ccecosystems.news/was-steckt-hinter-dem-begriff-decentralized-finance/

[5] Bundesgesetzentwurf zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register (Schweizerische Eidgenossenschaft, 2020); Abgerufen am 14.4.2023, von https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2020/17/de

[6] https://cmta.ch/standards/cmta-token-cmtat

[7] Berner Kantonalbank tritt SIX Digital Exchange bei und emittiert Partizipationsscheine mit Daura (Daura.ch, 2022); Abgerufen am 14.4.2023, von https://daura.ch/medienmitteilung/bekb-sdx-daura-digitale-aktien/

[8] SIX Digital Exchange partners with Aktionariat (Aktionariat.com, 2022); Abgerufen am 14.4.2023, von https://www.aktionariat.com/blogs/six-digital-exchange-partners-with-aktionariat

[9] Zum Beispiel: Dimson, E. & Spaenjers, C. (2014). Investing in Emotional Assets. Financial Analytics Journal. Vol. 70, Issue 2.

[10] What Is a Special Purpose Vehicle (SPV) and Why Companies Form Them (Investopedia, 2023); Abgerufen am 14.4.2023, von https://www.investopedia.com/terms/s/spv.asp#:~:text=A%20special%20purpose%20vehicle%2C%20also,the%20parent%20company%20goes%20bankrupt.

[11] VP Bank (2023); Abgerufen am 14.4.2023, von https://ch.vpbank.com/de/privatkunden/anlegen/digitale-vermoegenswerte/kunst-tokenisierung

[12] Gesetz über Token und VT-Dienstleister (Token- und VT-Dienstleister-Gesetz, TVTG) (Liechtensteinisches Landesgesetzblatt, 2019); Abgerufen am 14.4.2023, von https://www.gesetze.li/konso/2019301000   

[13] Tokenization (Sygnum, 2023); Abgerufen am 14.4.2023, von https://www.sygnum.com/solutions/tokenization/

[14] Sygnum Bank and Fine Wine Capital issue first tokenized asset under new Swiss DLT law (Sygnum, 2021); Abgerufen am 14.4.2023, von https://www.insights.sygnum.com/post/sygnum-bank-and-fine-wine-capital-issue-first-tokenized-asset-under-new-dlt-swiss-law

[15] Sygnum Bank and Artmundi tokenize Warhol’s Marilyn Monroe artwork (Sygnum, 2022); Abgerufen am 14.4.2023, von https://www.insights.sygnum.com/post/sygnum-bank-artemundi-tokenize-warhol-s-marilyn-monroe-artwork

[16] Als Orakel werden Dienstleistungen & Services bezeichnet, welche Informationen für Smart Contract Applikationen auf einer Blockchain bereitstellen (z.B. Finanzdaten, Wetterdaten etc.). Unter dem Begriff Orakel Problem versteht man die Schwierigkeit, Blockchain-fremde Daten für die Verwendung auf einer Blockchain bereitzustellen (z.B. What Is the Blockchain Oracle Problem? (Chainlink, 2023); Abgerufen am 20.4.2023, von https://chain.link/education-hub/oracle-problem)

[17] Commerzbank (2021); Abgerufen am 17.4.2023, von https://www.commerzbank.de/de/hauptnavigation/presse/pressemitteilungen/archiv1/2021/2__quartal/presse_archiv_detail_21_02_97290.html

[18] Angelehnt an Commerzbank (2021)

[19] Entwicklungen wie Zero-Knowledge-Proof sind bei der Auswahl der geeigneten Blockchain nicht berücksichtig worden

Dominik Jocham

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