Führung in Schweizer Banken
Wie entwickeln sich Führungsstile in Schweizer Banken – grundsätzlich bekannt sind ja die traditionellen Führungsstile von Lewin wie autoritär/patriarchisch, kooperativ etc.[1]
Aus meiner Sicht unterscheidet man heutzutage transaktionale und transformationale Führungsstile, wobei erster Parallelen zum autoritären Führungsstil hat. Transaktionale Führung ist durch klare Regeln und Strukturen geprägt, wobei es der Führungskraft obliegt, zu entscheiden, ob Mitarbeitende eingebunden werden oder nicht. Es gibt eine klare Input-Output-Beziehung – der Mitarbeitende gibt seine Arbeitskraft gegen Entlohnung und Titel und ist extrinsisch motiviert. Beispiele dafür waren in der Vergangenheit sicherlich Boni wie bei der Credit Suisse, wobei dort in den letzten zehn Jahren 32 Mrd. CHF Boni bezahlt wurden bei einem kumulierten Verlust von 3.2. Mrd. CHF. [2] Die transformationale Führung ähnelt dem kooperativen Führungsstil und stellt die gemeinsame Vision in den Fokus. Hier wird eher auf das Charisma, die Vorbildunktion und Motivation durch die Führungskraft fokussiert sowie die individuelle Förderung der Mitarbeitenden. Die gemeinsame Vision bzw. der übergeordnete Purpose[3] wurde beispielsweise bei der UBS insbesondere durch R. Hamers propagiert.[4] Die transformationale Führung kann als ein Einstieg in agile Strukturen verstanden werden, welche ich im Folgenden kurz vorstellen möchte.[5]
Zunächst aber die Frage, warum sich der Führungsstil in den Banken wandelt? Es sind Veränderungen erkennbar, auch wenn sie vielleicht nicht so stark sind wie in anderen Industrien. Unternehmen sind mit einem immer schneller werdenden Informationsfluss in einer immer komplexeren Umwelt konfrontiert. Infolge von Digitalisierung & Globalisierung interagieren Unternehmen immer stärker in netzwerkartigen Strukturen und müssen immer schneller auf veränderte Rahmenparameter reagieren. Zudem kommt das Auftreten von schwarzen Schwänen[6], d.h. Ereignisse, deren Eintritt man kaum vorhersehen kann. Dazu zählen sicherlich die Corona-Krise aber auch der Ukraine-Krieg. Last but not least wünschen die Kunden integrierte Lösungen, die schnell zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Entwicklung eines perfekten Produktes über einen längeren Zeitraum, die per push-Prinzip in den Markt gedrückt werden, ist hinfällig. In einer solchen VUCA-Welt (volatility, uncertainty,complexity, ambiguity)[7] haben wasserfallmässige Projektplanungen zum Teil ausgedient. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass vor Beginn des Projekts definierten Ziels (Scope) unter Einhaltung des geplanten Ressourceneinsatzes und der vorgegeben Zeit erreicht werden sollten. Heute bedient man sich häufig agiler Ansätze und Methoden aus der IT. Dabei wird innerhalb von Sprints der Scope immer weiter präzisiert, ohne jedoch Einbußen in den Qualitätsanforderungen, im geplanten Ressourceneinsatz und der zeitlichen Planung zu akzeptieren. Gleichzeitig wird bei solchen agilen Ansätzen der Kunde deutlich früher eingebunden – dies erklärt auch das Boomen von Family &Friends-Projekten, die das Austesten und (Fertig-)Entwickeln von Produkten und Services ermöglichen.
Was zeichnet nun agile Organisationsformen wie das Spotify Modell aus?[8] Grundsätzlich wird versucht, die Entscheidung an eine Gruppe von Mitarbeitenden zu delegieren, die konkret an dem Thema arbeiten und alle relevanten Informationen und auch Fähigkeiten besitzen, um die Themenstellung erfolgreich zu handeln. Dies bedingt auch, dass die Mitarbeitenden die Verantwortung übernehmen wollen und entsprechend befähigt werden bzw. sind.
Ein weiteres Argument für agile Organisationsformen ist auch die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden. Im War-of-Talents ist zu berücksichtigen, dass jüngere Menschen tendenziell flachere Hierarchien wünschen bzw. teilweise auch eine reine Fach- statt einer Führungslaufbahn anstreben.[9] Diese Trennung von Fach- und Führungsverantwortlichen ist eine Errungenschaft agiler Organisationsformen, basierend auf der Einführung von Tribe- und People-Leads.[10]
Wo kann man nun die Implementierung von agilen Strukturen in Schweizer Banken beobachten? Bei der UBS arbeiten rund 18.500 von den rd. 70.000 Mitarbeitenden in agilen Strukturen.[11]Auch Vontobel nutzt agile Methoden, um schneller die Kundenbedürfnisse befriedigen zu können.[12] Die traditionell technologiefokussierte Hypothekarbank Lenzburg legt ebenfalls einen Schwerpunkt auf Agilität, Selbstverantwortung und eine positive Teamkultur.[13]
Ein weiterer Diskussionspunkt hinsichtlich der Art der Führung ist auch, welche Rolle zukünftig das Büro spielen soll. Wird es eher ein Ort der Kommunikation und Co-Creation sein, während das Homeoffice als Raum für deep work genutzt wird? Hier gehen die Meinungen der Banken auseinander. So geht die ZKB davon aus, dass langfristig das Homeoffice für sie keine Relevanz haben wird.[14] Dies wird allerdings die Mitarbeitergewinnung zukünftig schwierig machen, weil dieses insbesondere von der Gen Z (geboren 1996 – 2010)[15] gefordert wird.[16]
Abschliessend bleibt festzuhalten, dass ein immer komplexeres Unternehmensumfeld agile Strukturen benötigt, um kundenzentrierte Lösung – häufig auch durch branchenübergreifende Kooperationen in Netzwerken bzw. Business Ecosystems – zu erschaffen. Gleichzeitig wünschen auch die Mitarbeitenden immer flachere Hierarchien und flexiblere Settings wie die Möglichkeit der Nutzung des Homeoffice – zumindest in einem begrenzten Umfang. Transformationale Führung kann als ein Einstieg in die Etablierung agiler Organisationsstrukturen gesehen werden.
Quellen
[1] Leadership: Das Modell der drei Führungsstile nach Kurt Lewin – Business Insider
[2] Mögliche Credit Suisse-Übernahme durch UBS: Wer führt die neue Schweizer Super-Bank? | Tages-Anzeiger (tagesanzeiger.ch)
[3] Purpose, Vision And Mission: Do We Really Need Them All? — THE WORD DEPOT
[4] UBS-Chef Ralph Hamers: Was er zum Erfolg der Grossbank beigetrug (nzz.ch)
[5] Wie Transformationale Führung den Weg ins agile Unternehmen ebnet (hr-pioneers.com)
[6] Schwarzer Schwan • Definition | Gabler Wirtschaftslexikon
[7] VUCA • Definition | Gabler Wirtschaftslexikon
[8] Why Spotify did not use the Spotify Model | ccecosystems.news
[9] Generation Z in der Arbeitswelt: 5 Tipps für Arbeitgeber | Staffbase
[10] Wenn der Mitarbeiter seinen Chef wählt (humanresourcesmanager.de)
[11] Agile@UBS, our unified agile way of working | UBS Global
[12] Bank und agil – ein Widerspruch? (vontobel.com)
[13] Arbeiten im Zeichen von Empowerment und New Work – Hypothekarbank Lenzburg AG (hbl.ch)
[14] ZKB-Chef Scholl: “In 2 Jahren redet niemand mehr vom Home-Office” (nzz.ch)
[15] Generationen-Management • Definition | Gabler Wirtschaftslexikon
[16] Studie zeigt: Generation Z macht Homeoffice zur Bedingung (t3n.de)
- Die Reise von Open Banking über Embedded Finance zu Contextual Banking und die zukünftige Rolle der Banken - 07.05.2024
- Blogbeitrag Governance-Mechanismen im Kontext von Plattformen und Business Ecosystems - 07.11.2023
- Entwicklung von Business Ecosystems im DACH-Raum und das Potential «digitaler Akten» als Ausgangspunkt für integrierte Services - 27.06.2023