Positionierungsmöglichkeiten für Banken im Kontext von Digital Assets – Eine Marktbeobachtung

Einleitung

Anfang Januar 2024 war es so weit, die Security and Exchange Commission (SEC) in New York hat in den USA die ersten Bitcoin Spot-ETFs für den Handel & Vertrieb zugelassen. Nach umfangreichen Diskussionen wurden ETFs von Anbietern wie VanEck, Blackrock oder 21.Shares freigegeben und diese bieten einer vermeintlich grösseren Investorenbasis einen vereinfachten Zugang zu Digital Assets[1]. Unter dem Begriff Digital Assets werden in diesem Artikel Blockchain-basierte Vermögenswerte wie Bitcoin oder Ethereum eingeordnet.

Die Zulassung der ETFs in den USA trägt weiter dazu bei, dass Digital Assets im breiteren Anlegermarkt verfügbar werden. Finanzinstitute können somit verstärkt davon ausgehen, dass sich die Nachfrage nach Digital Assets verändern wird. Wie haben sich Banken in der Schweiz im Kontext von Digital Assets positioniert und welche Vor- & Nachteile bringt die einzelne Positionierung mit sich? Basierend auf Beobachtungen sowie Interaktionen im Schweizer Markt werden diese im Rahmen dieses Blogposts eingeordnet.

Grundsätzliche Positionierungsvarianten von Finanzinstituten

Grundsätzlich können anhand eigener Beobachtungen drei verschiedene Positionierungen im Markt beobachtet werden:

  • Beobachter: Der Beobachter hat die Entwicklungen im Kontext von Digital Assets im Blick und ist eher reaktiv
  • Erkunder: Der Entdecker hat sich vertieft mit Digital Assets auseinandergesetzt, erkennt konkrete Opportunitäten und hat erste Vorhaben zur Validierung der Opportunitäten lanciert
  • Entdecker: Der Entdecker ist von Opportunitäten im Kontext von Digital Assets überzeugt, hat diese in der Strategie verankert und umfangreiche Initiativen lanciert sowie diesen Initiativen wesentliche Ressourcen (Personal, Budget, Priorisierung) zugeteilt

Diese drei Varianten der grundsätzlichen Positionierung ermöglichen eine erste Orientierung sowie eine Einteilung von Instituten. Hierbei ist zu beachten, dass die Positionierung fliessend sein kann. So können Finanzinstitute auch überschneidende Aspekte von zwei Positionierungsvarianten abdecken, z.B. kann ein Beobachter das Thema Digital Assets als Teil seiner Strategie verankern, jedoch noch keine Umsetzungsvorhaben lanciert haben. Um einzuschätzen, bei welcher Marktreife welche Positionierungsvariante aktiv wird, kann das Konzept des Red und Blue Oceans verwendet werden. Der Red Ocean zeichnet sich durch einen intensiven Wettbewerb aus, welcher oftmals über den Preis geführt wird. Im Gegensatz zum Red Ocean ist der Blue Ocean noch wenig erschlossen, Standards sind nicht gesetzt und der Wettbewerbsdruck ist tief[2].

Abbildung 1: Einordnung der beobachteten Positionierungen (eigene Darstellung)

Welches sind Vor- und Nachteile einer Positionierung und was bedeutet dies hinsichtlich der strategischen Verankerung von Digital Assets, den zugeteilten Ressourcen (Personen, Budget), dem Knowhow und der voraussichtlichen Time-to-Market für Finanzinstitute?

Beobachter – Alles im Blick

Beobachter möchten sich zunächst ein umfangreiches Bild über Digital Assets machen sowie idealerweise eine bestätigte Kundennachfrage erkennen. So werden Entwicklungen im Kontext von Digital Assets genau verfolgt, oftmals im Rahmen des Trend Scouting durch Innovationseinheiten oder als Teil des periodischen Strategiereviews. Ein wichtiges Kriterium für den Beobachter ist eine konkret erkennbare sowie in der direkten Kundeninterkation bestätigte Kundennachfrage. Solange diese nicht vorhanden ist, werden nur punktuell Ressourcen eingesetzt und dies oftmals im Rahmen von Trendbeobachtung und nicht in konkreten Digital Asset Projekten. An der Gestaltung von Rahmenbedingungen, z.B. in der öffentlichen Konsultation der DLT-Gesetzgebung in der Schweiz, nimmt die Bank nicht teil.

Diese Positionierung bietet der Bank die Sicherheit in einen bestätigten Markt einzutreten, Ressourcen marktrelevant zu allokieren und auf bereits definierte Rahmenbedingungen, z.B. regulatorischer Natur, abzustützen.

Auf der anderen Seite wird der Markteintritt eines Beobachters erst erfolgen, wenn bereits Mitbewerber den Markt bearbeiten, z.B. Entdecker und möglicherweise bereits Erkunder. Die Ressourcenallokation erfolgt bei einer bestätigten Kundennachfrage zielgerichtet (z.B. Aufbau eines dedizierten Digital Asset Teams zur Umsetzung der Projekte etc.), doch wird der Ressourcenumfang deutlich grösser sein (z.B. durch mehrere gleichzeitig eintretenden Banken verringert sich das Angebot an erfahrenen Digital Asset-Fachkräften oder Provider haben lange Wartezeiten für das Onboarding & den Going-Live). Dies ist v.a. der Tatsache geschuldet, dass Schlüsselelemente intern noch nicht aufgebaut worden sind und dadurch kurzfristig auf dem Markt beschafft, werden müssen, wie z.B. Knowhow bei Fachspezialisten. Zusätzlich ist durch die breite Marktbearbeitung durch verschiedene, bereits agierende Akteure von einem hohen Preisdruck auszugehen, was aktuell im Kontext der ETF-Zulassung in den USA beobachtet werden konnte. So kostete ein Kauf von Digital Assets auf einer zentralen Börse, z.B. Coinbase, rund 0.60% für einen institutionellen Investor[3]; ein Bitcoin ETF von BlackRock ist hingegen bereits ab 0.25% verfügbar[4]; ein oftmals beobachtetes Verhaltensmuster in einem Red Ocean.

Diese Positionierung bietet für Banken eine vergleichsweise hohe Transparenz und Sicherheit hinsichtlich der Kundennachfrage, Erwartungen des Regulators oder etablierten Providern. Ein Grossteil der Banken in der Schweiz können dieser Positionierung zugerechnet werden.

Erkunder – Erste Pilotprojekte werden angestossen

Die Bank verfolgt das Thema Digital Assets im Rahmen ihrer Trendbeobachtung intensiv und hat Opportunitäten identifiziert. Für die weitere Analyse sowie Bewertung der Opportunitäten wurden bereits erste Ressourcen allokiert und für die beteiligten Mitarbeitenden der entsprechende Raum geschaffen (Zeit, Budget etc.). Das notwendige Knowhow wird aus verschiedenen Organisationseinheiten eingebracht, z.B. aus dem Innovations- oder Produktmanagement. Es besteht keine dedizierte Organisationseinheit, welche sich ausschliesslich mit Digital Assets auseinandersetzt. Aus diesem Setup lanciert der Erkunder erste Umsetzungen, welche eine Facette der Opportunität oder eine technische Anpassung validieren soll, grundsätzlich mit einem sehr eingeschränkten Kundenkreis. Die daraus gewonnenen Learnings werden analysiert und sind Bestandteil von weiteren, umfangreicheren Initiativen.

Was Erkunder charakterisiert, sind neben den dediziert zur Verfügung gestellten Ressourcen, der Wille neues Terrain zu erkunden. Dies beinhaltet die Mitarbeit an regulatorischen Rahmenbedingungen, die Formierung erster Standards, z.B. in der Zusammenarbeit mit Providern, oder die Validierung einer vermuteten Kundennachfrage. Als Erkunder kann die Bank auf erste Erfahrungen von Erkundern bauen und der Markteintritt erfolgt in einen weniger umkämpften Markt, als dies ein Beobachter machen müsste.

Dem gegenüber steht die (noch) unbestätigte Kundennachfrage, der schlussendlichen Ausprägung von Standards oder der wesentlichen Provider im Kontext von Digital Assets. Diese Unsicherheiten sind durch den Erkunder zu adressieren, z.B. in Form von Umsetzungen als Schnellboote, einem Minimum Viable Product-Ansatz sowie der evidenzbasierten Beurteilung der Ergebnisse.

In der Schweiz können die St. Galler Kantonalbank sowie die Zuger Kantonalbank als Erkunder eingeordnet werden. Beide Institute haben bereits frühzeitig Ressourcen zur Prüfung der Opportunität von Digital Assets allokiert und im Herbst 2023 ein Angebot für einen eingeschränkten Kundenkreis lanciert[5][6]. Beide Angebote stehen einem eingeschränkten Kundenkreis zur Verfügung und beinhalten grundlegende Funktionalitäten für den Zugang zu Digital Assets.

Entdecker – Digital Assets sind strategisch relevant

Der Entdecker besitzt die tiefe Überzeugung, dass Digital Assets eine vielversprechende Opportunität darstellen und dadurch strategisch relevant sind. Diese Überzeugung basiert auf dem zugeschriebenen Potenzial von Digital Assets hinsichtlich Wertzuwachs, der Technologieanwendung oder neuen Geschäftsfeldern für die Bank. Entdecker sind sich der Ungewissheit hinsichtlich der regulatorischen Rahmenbedingungen, der Kundennachfrage oder der wesentlichen Partner bewusst und sehen diese sogar als Chance, sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Um dieser Unsicherheit zu begegnen sind erst einzelne Opportunitäten umfassend analysiert und mit ersten Kunden validiert worden. Im Anschluss werden im hohen Masse Ressourcen in verschiedenen Bereichen zur Verfügung gestellt und die Vorhaben im Kontext von Digital Assets priorisiert. Als ein Ziel des Entdeckers können der frühe Markteintritt sowie die Erschliessung eines grossen Teils des vermuteten Marktes genannt werden. Durch den frühen Markteintritt verspricht sich der Entdecker eine hohe Marge, da wenige vergleichbare Angebote vorhanden sind (Blue Ocean). Angebote richten sich nicht an einen eingeschränkten Kundenkreis, z.B. Family and Friends, sondern an komplette Kundensegmente wie Retailkunden.

Im Gegensatz zu den Beobachtern oder im gewissen Masse auch zu den Erkundern haben Entdecker eine höhere Unsicherheit sowie Erfolgsrisiken zu managen: Rahmenbedingungen sind nicht definiert, die Kundennachfrage ist nicht validiert und die Digital Asset Industrie als Ganzes besitzt nicht den gewünschten Reifegrad, wie beispielhaft am Kollaps von FTX 2022 zu beobachten war[7].

Als Entdecker in der Schweiz kann die PostFinance bezeichnet werden, welche bereits 2022 den Zugang zu Digital Assets für ihre Kunden kommunizierte[8]. Auf Grund der Einordnung als strategisches Wachstumsfeld, hat die PostFinance ein dediziertes Team aufgebaut, welche das Angebot im Unternehmen vorantreiben soll. Die Lancierung ist für 2024 angedacht.

Ausblick

Gegenwärtig arbeiten weitere Institute an eigenen Angeboten im Kontext von Digital Assets und es ist davon auszugehen, dass 2024 weitere Akteure Produkte & Services in diesem Kontext anbieten werden. Ungeachtet der eigenen aktuellen Positionierung ist es essenziell, sich frühzeitig Gedanken zur eigenen, zukünftigen Rolle im Kontext von Digital Assets zu machen, um nicht in einem preisgeführten Verdrängungskampf umfassende Ressourcen für vergleichsweise geringe Marktanteile aufwenden zu müssen.


Quellen

[1] Aus der Nische in den Mainstream: Bitcoin erlebt zweiten Big Bang (finews.ch); Abgerufen am 12.1.2024, von https://www.finews.ch/news/finanzplatz/60866-kommentar-bitcoin-sec-zulassung-spot-etf-krpytowaehrungen

[2] Blue Ocean Strategie (Gabler Wirtschaftslexikon, 2024); Abgerufen am 19.1.2024, von https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/blue-ocean-strategie-120549

[3] Fee Structure (Coinbase, 2024); Abgerufen am 18.1.2024, von https://exchange.coinbase.com/fees#:~:text=Fees%20are%20calculated%20based%20on,between%200.05%25%20and%200.60%25.

[4] Bitcoin-ETF: Jetzt startet der Preiskampf der Anbieter (Capital.de, 2024); Abgerufen am 18.1.2024, von https://www.capital.de/geld-versicherungen/bitcoin-spot-etf–jetzt-startet-der-preiskampf-der-anbieter-34357640.html  

[5] Zuger Kantonalbank lanciert Angebot für digitale Vermögenswerte (Zuger Kantonalbank, 2023); Abgerufen am 12.2.2024, von https://www.zugerkb.ch/die-zugerkb/medien/medienmitteilungen/alle-mm-des-aktuellen-jahres/medienmitteilungen/2023/10/02/zuger-kantonalbank-lanciert-angebot-fuer-digitale-vermoegenswerte

[6] Bitcoin und Ethereum jetzt auch bei der SGKB (Finews, 2023); Abgerufen am 12.2.2024, von https://www.finews.ch/news/banken/60010-krypto-seba-sgkb-parternschaft-live-bitcoin-ethereum-zuger-kb-lukb

[7] Crypto giant FTX collapses into bankruptcy (BBC, 2022); Abgerufen am 19.1.2024, von https://www.bbc.com/news/business-63601213

[8] Postfinance bietet künftig Kryptowährungen an (Handelszeitung, 2023); Abgerufen am 12.2.2024, von https://www.handelszeitung.ch/banking/kooperation-mit-schweizer-kryptobank-sygnum-postfinance-bietet-kunftig-digitale-wahrungen-wie-bitcoin-an-590527

Dominik Jocham

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