Studie: Digitalisierung des Beschaffungsmanagements

TEASER:

Die digitale Revolution hat die Geschäftswelt erreicht, und das Beschaffungsmanagement bildet keine Ausnahme. Die jüngste Studie des Business Engineering Institute St. Gallen «Digitalisierung im Beschaffungsmanagement» beleuchtet, wie tiefgreifend die Digitalisierung diesen Bereich verändert. Dieser Blogbeitrag fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Studie zusammen, um Licht auf die Chancen und Herausforderungen zu werfen, die die digitale Transformation für Unternehmen mit sich bringt.

Einleitung

Die fortschreitende Digitalisierung hat weiterhin eine transformative Wirkung auf die Geschäftswelt, die durch das Aufkommen disruptiver Technologien wie der Distributed Ledger Technologie (DLT) und des Maschinellen Lernens (ML) immer noch beschleunigt wird. Diese Technologien bieten nicht nur neue Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und Kostenreduktion, sondern auch zur Schaffung innovativer Geschäftsmodelle und zur Verbesserung der Kundeninteraktion. Supply Chain Finance als Bindeglied zwischen Logistik, Corporate Finance und Risk Management ist ein spezifisches Set von Lösungen und Services zur Beschleunigung des Geldflusses [1] zwischen Handelspartnern entlang der Lieferkette und bietet damit eine spannende Schnittstelle zwischen Finanztechnologie und Innovationen in der Realwirtschaft.

Finanztransaktionen sind elementarer Bestandteil in der Beschaffung von Waren oder Gütern

Ausgangspunkt sind hierbei physische Transaktion im Beschaffungsmanagement, denen immer eine Finanztransaktion gegenübersteht. Der Beschaffungsprozess zwischen Lieferanten und Käufer lässt sich in vier Ebenen der Interkation einteilen. Abbildung 1 stellt die wesentlichen Ebenen und Abwicklungsbereiche vereinfacht dar:

Abbildung 1: Exemplarische Ebenen und Abwicklungsbereiche zwischen Lieferanten und Käufer [2]

  • Auftragsabwicklung: Wenn ein Käufer Waren ordert, sendet er eine Bestellung (i.d.R. elektronisch durch den Einsatz von Electronic Data Interchange (EDI) oder Webservices) an seinen Lieferanten. Das System erstellt daraufhin einen Kundenauftrag, welcher Versandinformationen, Rechnungs- und Käuferdaten enthält. Anschließend wird geprüft, ob die Waren verfügbar sind, bevor der Lieferant die Bestellung ausführt.
  • Versandabwicklung: Lieferbeleg und Transportauftrag werden erstellt. Verlässt die Sendung das Werk des Lieferanten, wird im ERP-System ein Warenausgang erzeugt und der Kundenauftrag mit den Sendungsdetails aktualisiert. Bei Warenübergabe gleicht der Käufer den Lieferschein mit der Bestellung ab und erstellt ein Wareneingangsbeleg mit der jeweiligen Bestellnummer.
  • Rechnungsabwicklung: Der Lieferant erstellt die Rechnung auf Basis der vereinbarten Bedingungen und schickt sie an den Käufer. Dieser prüft die Rechnung, vergewissert sich, dass sie korrekt ist. Eine gängige Methode ist der 3-Way Match zwischen Bestellung, Wareneingang (oder Lieferbeleg) und der Rechnung. Der Käufer leitet den Zahlungsvorgang ein, der entweder eine direkte Zahlung oder die Einhaltung der im Vertrag festgelegten Zahlungsbedingungen beinhaltet.
  • Abwicklung von Forderungen: Die involvierten Parteien erfassen die Forderungen und Verbindlichkeiten in einem Buchhaltungssystem, dokumentieren oder passen diese an, mit dem Ziel ein genaues Reporting und die Begleichung ausstehender Verpflichtungen zu gewährleisten.

Chancen und Herausforderungen im Beschaffungsmanagement

Während ERP-Systeme die IT-gestützte Integration dieser Schichten in einem umfassenden Anwendungssystem ermöglichen und manuelle Tätigkeiten zunehmend automatisieren, bestehen nach wie vor vielfältige Herausforderungen in der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit. So kann es beispielsweise zu Problemen bei der effektiven Kommunikation zwischen Lieferanten und Käufern kommen. Nicht aufeinander abgestimmte Systeme, Datenformate und das Fehlen gemeinsamer Plattformen erschweren es, Daten auszutauschen und eine Echtzeit-Transparenz zu schaffen. Der Informationsfluss wird eingeschränkt, was zu Missverständnissen, Verzögerungen und Fehlern in der Zusammenarbeit führen kann. Viele IT-Anbieter befassen sich mit diesen interorganisatorischen Herausforderungen im Beschaffungsmanagement. Mit dem Einsatz neuer Technologien (z. B. DLT und Künstliche Intelligenz) soll hierbei in Zukunft eine globale Transparenz von relevanten Transaktionsdaten zwischen Lieferanten und Käufer ermöglicht werden, um den Koordinationsaufwand zu verringern, das Risiko zu minimieren, und die unternehmensübergreifende Synchronisation zu verbessern.

Auf der Basis dessen erstellte das Business Engineering Institute St. Gallen im Rahmen des Kompetenzzentrums «CC Ecosystems» die Studie «Digitalisierung im Beschaffungsmanagement». Durchgeführt im Sommer 2023, zielt diese darauf ab, Entscheidungsträgern tiefgreifende Einblicke in digitale Trends zu bieten und sie auf ihrem Weg durch die digitale Transformation im Beschaffungsmanagement zu begleiten. Mit 22 Praktikern aus verschiedenen Industrien im DACH-Raum, darunter Automotive, Konsumgüter, Chemie, Lebensmittel und Maschinenbau, bietet die Studie eine breite Perspektive auf die Digitalisierung im Beschaffungsmanagement. Durch Interviews, die auf strukturierten Leitfäden basierten, wurden wertvolle Einblicke in Unternehmensaktivitäten und individuelle Erfahrungen gewonnen.

Ergebnisse der Studie

Im Folgenden werden die wichtigsten Erkenntnisse sowie deren Implikationen für die ausgewählten Industrien und Unternehmen näher beleuchtet:

  • Branchenspezifische Unterschiede und digitaler Reifegrad: Eine der zentralen Erkenntnisse der Studie ist, dass der digitale Reifegrad (in fünf Stufen von gering bis hoch) erheblich zwischen den verschiedenen Branchen variiert. Während einige Branchen wie die Automobil- und Chemieindustrie als Vorreiter in der Digitalisierung gelten und bereits beachtliche Fortschritte erzielt haben, sind andere wie die Lebensmittelhersteller eher als Nachzügler im Bereich der Informationstechnologie anzusehen. Dies spiegelt die unterschiedlichen Prioritäten und Ressourcen wider, die verschiedenen Sektoren zur Verfügung stehen, und unterstreicht die Bedeutung der Anpassung der digitalen Strategien an die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen jeder Branche.
Abbildung 2: Der digitale Reifegrad nach Industrien (1 gering-5 hoch) sowie Anzahl Interviews (n) LINK

  • Prozessuale Herausforderungen und IT-Lösungen: Ein weiterer zentraler Aspekt der Studie sind die prozessualen Herausforderungen im Beschaffungsmanagement. Hierbei wurden insbesondere die Bereiche Bestell- und Rechnungsabwicklung näher betrachtet. Fehlererkennung und -behebung sowie die Synchronisierung von Daten zwischen Käufern und Lieferanten wurden als Schlüsselelemente identifiziert, die häufig ineffiziente Abläufe und Kosten verursachen. Für Entscheidungsträger bedeutet dies eine Chance, weiter in integrierte Systeme zu investieren, um die Zuverlässigkeit der Prozesse zu erhöhen.
  • Anforderungen an zukünftige IT-Unterstützungen: Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die wachsende Bedeutung von Datentransparenz und -konsistenz. In der heutigen schnelllebigen Geschäftswelt sind Echtzeitinformationen von entscheidender Bedeutung. Hier kommen Real-Time Dashboards und Analytics ins Spiel. Diese Instrumente ermöglichen es Unternehmen, auf aktuelle Daten zuzugreifen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Automatisierte Systeme, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen können dabei nicht nur Fehler minimieren, sondern auch die Gesamteffizienz steigern.

Fazit

Die Digitalisierung im Beschaffungsmanagement ist ein kontinuierlicher, dynamischer Prozess, der eine branchenübergreifende Perspektive erfordert. Unternehmen müssen ihre Digitalisierungsstrategien sorgfältig anpassen, um den einzigartigen Anforderungen ihrer Branche gerecht zu werden und die Vorteile der digitalen Transformation voll auszuschöpfen. Investitionen in digitale Lösungen bieten nicht nur Effizienzsteigerungen, sondern auch neue Geschäftsmöglichkeiten.

Dabei wurde betont, dass die Digitalisierung im Beschaffungsmanagement weit über technologische Aspekte hinausgeht. In einer Welt, in der sich alles ständig verändert und entwickelt, ist die Gewinnung und Bindung hochqualifizierter und talentierter Fachkräfte von entscheidender Bedeutung. Es liegt an jedem einzelnen Unternehmen, diese Chancen zu erkennen und die Weichen für eine erfolgreiche digitale Transformation zu stellen.


Quellen:

[1] Kuhn/Hellingrath (2002): Supply Chain Management

[2] Hofmann, Erik; Strewe, Urs Magnus & Bosia, Nicola (2017): Supply Chain Finance and Blockchain Technology: The Case of Reverse Securitisation.

Link zur Studie: «Digitalisierung im Beschaffungsmanagement»

Roger Heines

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