Agile Unternehmenskultur – was steckt dahinter? (Teil 1)

Die ständig fortschreitende Digitalisierung und die damit verbundenen Veränderungen konfrontieren Unternehmen mit sich dynamisch verändernden Umweltbedingungen, wie beispielsweise ständig wechselnden Kundenanforderungen sowie einem verstärkten Wettbewerb (Yang und Liu 2012). In diesem Umfeld hängt der Erfolg eines Unternehmens zunehmend von seiner Fähigkeit ab, sein Produkt- und Dienstleistungsportfolio sowie sein Geschäftsmodell regelmäßig an veränderte Gegebenheiten anzupassen (Roy und Sarkar 2016). Um dieser Anforderung gerecht zu werden, ist neben dem Aufbau einer technischen Agilität, unter anderem durch die Anpassung unternehmensinterner Prozesse, und der Anpassung der technischen Infrastruktur ebenfalls eine agile Organisationskultur unabkömmlich (Denning, 2016). Der jährlich erscheinende 14th State of Agile Report (2020) zeigt jedoch, dass die Transformation hin zu einer agilen Kultur nur den wenigstens gelingt. Organisationale Widerstände verhindern oftmals die kulturelle Transformation in vielen Unternehmen, ohne dass die Unternehmen sich dessen bewusst sind (VersionOne, 2020). Es kommt vielmehr darauf an, die geeigneten Strukturen und Routinen innerhalb eines Unternehmens aufzubauen, um diesen Kulturwandel anzustossen – sei es zum Beispiel durch eine Anpassung der Organisationsstruktur oder die Verankerung agiler Arbeitsweisen (Caligiuri, 2012).

Diverse Unternehmen haben in den letzten Jahren die Vision einer agilen Organisationskultur etabliert. Wir möchten an dieser Stelle die ING als Beispiel anführen, da das Management der ING den kulturellen Wandel im Unternehmen einen hohen Stellenwert bei ihrem Transformationsvorhaben eingeräumt hat. Im Sommer 2015 hat sich die Bankengruppe dazu entschieden, ihre Organisation, nach dem Vorbild von Google, Netflix und Spotify, zu transformieren. Wichtige Bestandteile zur Etablierung des kulturellen Wandels waren die Einführung einer neuen agilen Organisationsstruktur, die Definition eines Code of Conduct, der die wichtigsten Verhaltensweisen der Mitarbeiter zusammenfasst, die Förderung einer offenen Fehlerkultur sowie die Schaffung der Grundlagen einer Mentalität des gegenseitigen Helfens (McKinsey, 2017).

Im Allgemeinen kann eine Unternehmenskultur als die Überzeugungen, Werte und Verhaltensweisen beschrieben werden, die das soziale und psychologische Umfeld der Organisation formen (Needle, 2004). Bei der Etablierung einer agilen Unternehmenskultur geht es darum, ein Umfeld zu schaffen, das die Organisation, Teams und Einzelpersonen in die Lage versetzt, anpassungsfähiger, flexibler, innovativer und widerstandsfähiger mit Komplexität, Unsicherheit und Veränderungen umzugehen (Agile Business Consortium, 2018). Im Kern umfasst eine agile Organisationskultur folgende Bestandteile (Agile Business Consortium, 2020; Dove, 2005):

  • Purpose und Zielorientierung: Jeder Mitarbeiter steht hinter der Vision des Unternehmens und weiss, wie seine Tätigkeit zur Erreichung des Unternehmenszwecks beiträgt.  Mitarbeiter leben authentisch die Werte des Unternehmens, die sich auf ihr Handeln sowohl innerhalb der Organisation als auch im Kontakt mit externen Partnern oder Kunden auswirken.  
  • Vertrauen und Transparenz: Führungskräfte leben eine offene und transparente Kommunikation vor und tragen somit zu einer positiven Organisationskultur bei, die von einer proaktiven Wissens- und Ressourcenteilung geprägt ist. Es wird ein Umfeld geschaffen, in dem andere Meinungen offen und ehrlich geäussert werden können, wodurch psychologische Sicherheit geschaffen wird.
  • Offene Fehlerkultur: Mitarbeiter und Teams sind dafür sensibilisiert, Probleme und unproduktive Vorgehensweisen rechtzeitig zu erkennen. Zu einer offenen Fehlerkultur gehört es, dass Probleme offen angesprochen werden können und die Fokussierung auf deren Ursache stattfindet, anstatt nach einem Schuldigen zu suchen.
  • Innovation und Lernfähigkeit: Mitarbeiter werden ermutigt, über den Tellerrand zu schauen und innovative Ideen zu entwickeln. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass Mitarbeiter neue Methoden und Tools anwenden, um ein bestehendes Problem mit neuen Herangehensweisen zu lösen. Hierbei ist es wichtig, dass die Organisation ein Umfeld schafft, in dem Scheitern als eine Chance angesehen wird, zu lernen und letztendlich bessere Ergebnisse zu erzielen.
  • Anpassungsfähigkeit: Agile Organisationen reagieren proaktiv und schnell auf Veränderungen im Geschäftsumfeld und behalten dabei einen starken, stabilen Kern. Infolgedessen werden neue Ideen schnell angenommen und auf ihre Durchführbarkeit geprüft, wobei Mitarbeiter auch in einem angemessenen Umfang bereit sind Risiken einzugehen.

Die Frage, die sich viele Unternehmen stellen ist: Wie kann die Entwicklung einer agilen Kultur nachhaltig unterstützt werden? Diese Frage beantworte ich nächste Woche im zweiten Teil dieses Beitrags.


Quellen

Agile Business Consortium (2018). Towards an Agile Culture. https://cdn.ymaws.com/www.agilebusiness.org/resource/resmgr/documents/whitepaper/towards_an_agile_culture.pdf

Agile Business Consortium (2020). Agile Culture DNA. https://agiledojo.co.uk/agile-culture-dna/

Caligiuri, P. (2012). Cultural agility: Building a pipeline of successful global professionals. John Wiley & Sons.

Denning, S. 2016. “Understanding the Three Laws of Agile,” Strategy & Leadership (44:6), pp. 3–8.

Dove, R. (2005, May). Agile enterprise cornerstones: knowledge, values, and response ability. In IFIP International Working Conference on Business Agility and Information Technology Diffusion (pp. 313-330). Springer, Boston, MA.

McKinsey (2017). ING`s agile transformation. https://www.mckinsey.com/industries/financial-services/our-insights/ings-agile-transformation

McKinsey (2020). Doing vs being: Practical lessons on building an agile culture. https://www.mckinsey.com/business-functions/organization/our-insights/doing-vs-being-practical-lessons-on-building-an-agile-culture

Needle, David (2004). Business in Context: An Introduction to Business and Its Environment.

Roy, R., and Sarkar, M. 2016. “Knowledge, Firm Boundaries, and Innovation: Mitigating the Incumbent’s Curse During Radical Technological Change,” Strategic Management Journal (37), pp. 835–854.

VersionOne (2020). 14th Annual State of Agile Report. https://stateofagile.com/#ufh-i-615706098-14th-annual-state-of-agile-report/7027494 Yang, C., and Liu, H. M. 2012. “Boosting Firm Performance via Enterprise Agility and Network Structure,” Management Decision (50:6), pp. 1022–1044.

Katharina Schache

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