Open Banking Summit 2020 – Chancen und Umsetzungsszenarien für Open Banking in der Schweiz

Vor Kurzem hat die Schweizerische Bankiervereinigung eine Auslegeordnung veröffentlicht, die den Stand von Open Banking in der Schweiz darlegt und Erfordernisse für die Weiterentwicklung von Open Banking am Schweizer Finanzplatz formuliert. Zu diesen Erfordernissen gehören unter anderem die klare strategische Positionierung der Banken und die gemeinsame Entwicklung standardisierter APIs für den Datenaustausch zwischen Finanzinstituten und Drittanbietern. Ziel der Auslegeordnung ist «den Dialog am Finanzplatz [zu] unterstützen», wie Richard Hess im Initialbeitrag der Blogparade der Schweizerischen Bankiervereinigung schreibt. Dasselbe Ziel verfolgte am 10. September der Open Banking Summit der in der Auslegeordnung aufgeführten Standardisierungsinitiative OpenBankingProject.ch, der in unterschiedlichen Vorträgen vor allem diese beiden Erfordernisse thematisierte.

Knapp 100 Entscheidungsträger aus der Schweizer Finanzindustrie trafen sich am 10. September zum ersten offiziellen Open Banking Summit. Unter dem Patronat von OpenBankingProject.ch, eine durch das Business Engineering Institute St. Gallen (BEI) koordinierte Initiative zur Förderung von Open Banking, wurde über die Chancen und Möglichkeiten von Open Banking in der Schweiz referiert und diskutiert. Moderiert wurde die Veranstaltung von Eflamm Mordrelle von der Zeitung «Finanz und Wirtschaft».

Nach einer kurzen Einführung in das Thema Open Banking und die Arbeit der Initiative OpenBankingProject.ch durch Thomas Zerndt, CEO des BEI, wurde Paul Rohan live aus Dublin zugeschaltet. Rohan, der für Google im Bereich Open Banking forscht, sprach über die Auswirkungen der entstehenden Plattformökonomie im Bankwesen. «The dominant design of a banking account might change drastically over the next few years.» Die Bank selbst werde in den Hintergrund rücken, während ihre Services über komplementäre Partner, wie z. B. Hypothekarplattformen, vermittelt würden. Um sich voneinander zu differenzieren, würden Banken künftig gezielt Mikrosegmente ansprechen, die teils hart umkämpft werden würden. Diese Überlegungen und die Frage, welche Absichten Google im Finanzwesen verfolgt, führten im Anschluss an den Vortrag zu einer aktiven Fragerunde.

Anschliessend gab Nathaniel Neudecker, Chapter Lead API der Commerzbank, unter dem Titel «Open Banking in der Commerzbank & beyond» einen Einblick in die Art und Weise, wie die zweitgrösste Bank Deutschlands das Thema API im Unternehmen umsetzt. Mit einem Team von mittlerweile über 80 Mitarbeitern werden in agilen Prozessstrukturen APIs entwickelt, welche die Bank laut Neudecker modularer, schneller, günstiger und letztendlich profitabler machen. Mittlerweile «ist allen im Unternehmen klar, welchen Mehrwert Open Banking bietet». Dafür habe es jedoch von Anfang an der Unterstützung des obersten Managements bedurft, gerade da es sich bei Open Banking «nicht nur um ein technisches Thema» handelt und sich nur so im Unternehmen die Bereitschaft für Open Banking etablieren lasse. Und was sind nun aktuelle Anwendungsfälle für Open Banking? Nathaniel Neudecker führte exemplarisch eine gerade implementierte Überweisungsmöglichkeit direkt im ERP-System und eine automatische Stromabrechnung für Elektrofahrzeuge an.

Dass Open Banking nicht nur ein Thema für Grosskonzerne ist, zeigte André Renfer, Bereichsleiter Services der Hypothekarbank Lenzburg. Gerade für die kleinen Banken böten Ecosysteme neue Möglichkeiten, insbesondere zur Ausdehnung ihrer Marktreichweite. Einerseits könnten sie ihre Services durch externe Angebote ausweiten und so neue Geschäftsfelder erschliessen, für welche ihnen das Kapital nicht zur Verfügung gestanden hätte. Andererseits könnten sie auch eigene Angebote durch Drittservices ersetzen und so ihre Kosten senken, da der Wettbewerb unter den Serviceanbietern zu günstigen Konditionen führen würde. Banken müssten sich jedoch klar werden, welche Rolle sie in Zukunft einnehmen wollen. Wenn Sie «Banking as a Platform» betreiben, bieten Banken weiterhin ihre Dienstleistungen direkt an, ergänzt durch digitale und neue Services von Dritten. Voraussetzungen dafür seien ein grosser Kundenstamm und ein Kundenerlebnis, das die Bank von Wettbewerbern abhebe. Entscheidet sich eine Bank jedoch für «Banking as a Service», liefert sie anderen Anbietern die notwendigen Dienstleistungen und interagiert durch Dritte mit dem Endkunden. Dafür müsse sie aber ihre Prozesse so effizient wie möglich gestalten und ihr Angebot über eine Vielzahl an Partnern anbieten, um Skaleneffekte zu schaffen. Die Wahl der Strategie hängt unter anderem davon ab, welche dieser Voraussetzungen die entsprechende Bank besser erfüllt.  

Im letzten Kurzvortrag stellte Simon Bleher, Senior Consultant bei der BEI und Projektleiter des OpenBankingProject.ch, das «Beste Zahlungsmittel für E-Commerce» (BZEC) vor. Das Projekt will eine effiziente und sichere Bezahlmethode entwickeln, die in die bankeigenen Mobile Banking Apps integriert ist und die Systeme der Händler und Banken direkt verbindet. An dem Projekt beteiligen sich Händler, Banken und Technologieprovider.

Anschliessend folgte eine Paneldiskussion, in der Richard Hess, André Renfer, Nathaniel Neudecker und Thomas Zerndt sich den Fragen von Moderator Eflamm Mordrelle und des Publikums zu den «Chancen und Umsetzungsszenarien für Open Banking in der Schweiz» stellten.  Für Renfer ist dabei klar, dass vor allem kleine Banken die Chancen der neuen Plattformökonomie wahrnehmen werden, da sie «es gewohnt sind, dass sich nicht alles um sie dreht». Sie seien es gewohnt, sich stark an den Markt und die Kundenbedürfnisse anzupassen und könnten gleichzeitig durch den Einbezug weiterer Services in ihr Angebot neue Geschäftsfelder erschliessen. Einig waren sich Nathaniel Neudecker und André Renfer was die Umsetzung anbelangt: «Einfach mal anfangen». Diskutiert wurde auch, ob es in der Schweiz eine Regulierung analog PSD2 brauche. Für die Commerzbank war diese immerhin der «entscheidende Tritt». Für Hess sollte die Schweiz aus PSD2 lernen und hat durch die aktuell sehr generelle Regulation die Möglichkeit, Open Banking selbst aktiv zu gestalten. Aufgabe der Bankiervereinigung sei es «Open Banking in einem breiteren Kontext zu beleuchten und die Rahmenbedingung zu setzen». Den ersten Schritt dazu haben sie mit ihrer im Juli publizierten Auslegeordnung nun gemacht. Dazu passend auch das Schlussvotum von Renfer, aus dessen Sicht es Aufgabe der Geschäftsführung ist, Entwicklungen wie Open Banking vorherzusehen. Regulierungen wie PSD2 würden hingegen alle Unternehmen in eine bestimmte Richtung drängen. Denn wie in der Auslegeordnung so treffend formuliert wird: «[Durch den marktwirtschaftlichen Ansatz in der Schweiz] wird sichergestellt, dass die Zusammenarbeit zwischen Bank und Drittanbietern auf marktwirtschaftlichen Überlegungen und konkreten Anwendungsfällen basiert, die dem Kunden einen Mehrwert bieten».

Insgesamt steht man bezüglich Open Banking in der Schweiz noch am Anfang, aber erste wichtige Schritte wurden gemacht. Damit es zügig weitergeht, freuen sich die Partner von OpenBankingProject.ch auf Ihre Mitwirkung. Aufgrund der angeregten Diskussionen und der sehr positiven Rückmeldungen sind wir guten Mutes, Sie auch im nächsten Jahr im Rahmen des zweiten Open Banking Summits begrüssen zu dürfen.


Samuel Schmidt (Koautor)

Samuel Schmidt absolviert derzeit ein Studium der Wirtschaftsinformatik an der Universität Leipzig. Er unterstützt seit Januar 2020 Hubert Österle im Bereich «Life Engineering» und wirkt aktuell im Projekt OpenBankingProject.ch» mit.

Simon Bleher

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