
Open Banking und die (ewige?) Gretchenfrage: Marktgetrieben oder reguliert?
Seit gut vier Jahren ist Open Banking auch in der Schweiz ein Thema, das von der Finanzindustrie als relevant erachtet wird. Auslöser war insbesondere die EU-Regulation PSD2, die 2018 für alle Mitgliedstaaten Gültigkeit erlangte und darauffolgend umgesetzt wurde. Verschiedene Akteure bearbeiten seither dieses Thema, darunter auch unsere Initiative OpenBankingProject.ch. Langsam ist auch etwas mehr Bewegung seitens der Banken auszumachen. Wobei “langsam” wörtlich zu verstehen ist, was auch das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) zu einer deutlichen Ansage in ihrem Bericht “Digital Finance: Handlungsfelder 2022+” bezüglich Regulationsbedarf veranlasst. Eine Regulierung in diesem Bereich scheint näher zu rücken. Die Details werden im dritten Abschnitt erläutert.

Zuerst aber ein kurzer Blick zurück. Als eine der ersten Organisationen hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) in ihrem Positionspapier vom Herbst 2017 klar Stellung bezogen. Sie lehnte eine Regulierung ab, es bestehe kein Handlungsbedarf und Open Banking solle in der Schweiz marktgetrieben entwickelt werden. Im Juli 2020 hat sie dies in einer Auslegeordnung bekräftigt: Dank des marktwirtschaftlichen Ansatzes bestünden in der Schweiz keine spezifischen rechtlichen und regulatorischen Anforderungen für Open Banking.
Im Dezember 2020 hat das SIF seinen Bericht zur Politik für einen zukunftsfähigen Finanzplatz Schweiz veröffentlicht. Es möchte sich namentlich für eine Öffnung und eine durch die Branche getriebene Standardisierung von Datenschnittstellen im Schweizer Finanzsektor engagieren, um den Austausch von kundenbezogenen Daten zwischen den klassischen Finanzmarktakteuren und neuen Anbietern zu fördern.
Zwei Jahre später, Anfang Februar 2022, formuliert nun das SIF in seinem eingangs erwähnten, neuesten Bericht eine regelmässige Prüfung des Handlungsbedarfs als Massnahme, um Open Finance zu fördern, und zieht bei Bedarf auch eine Regulation in Betracht: “Werden die Fortschritte u. a. auch mit Blick auf Kunden- und Anlegerinteressen als nicht zureichend erachtet, beauftragt der Bundesrat das EFD/SIF, ihm einen Vorschlag über mögliche Massnahmen zu unterbreiten, einschliesslich der Prüfung einer gesetzlichen Verpflichtung zur Öffnung des Zugangs zu Daten über standardisierte Schnittstellen.”
Diese sehr deutliche Ansage hat die SBVg gleichentags mit einer Meldung begrüsst und steht einer Regulation nicht mehr kategorisch entgegen: “Um das Innovationspotenzial in diesem Bereich vollständig auszuschöpfen, sollten allfällige regulatorische Initiativen holistisch und sektorübergreifend erfolgen, sodass auch der Finanzsektor von der Öffnung von Schnittstellen in anderen Sektoren profitieren kann.”
Diese Bewegung in Richtung Regulation lässt sich auch sehr gut international beobachten. Immer mehr Länder gehen Open Banking mit einer Regulation an. Dies zeigt auch die folgende Abbildung deutlich. Kleiner Hinweis (zum Schmunzeln): Die Schweiz wird dem Status “effective implementation” statt “under discussion / planned” zugeordnet. Sie haben uns wohl der EU zugeordnet.

Open Banking-Ansätze weltweit, Quelle: platformable
Den Wechsel von einem marktgetriebenen zu einem regulierten Ansatz zur Förderung von Innovation hat vor Kurzem Israel vorgenommen. In den vergangenen Jahren hat Israel verschiedene Massnahmen zur Unterstützung von Open Banking eingeführt. Unter anderem hat es 2019 zur Steigerung des Wettbewerbs eine Lizenz für eine voll digitale Bank vergeben, die erste Bankgründung seit 43 Jahren. Aufgrund von zu wenig Marktbewegung hat Israel nun Ende 2021 das “Financial Information Service Law” erlassen, das nach den Prinzipien von PSD2 den Zugang des Kunden zu seinen Finanzdaten regelt. Anat Guetta, die Leiterin der israelischen Finanzaufsichtsbehörde, erwartet, dass diese Reform die Qualität und die Kosten von Finanzdienstleistungen verbessern und zum Übergang von einem konzentrierten Finanzmarkt zu einem wettbewerbsorientierten Markt beitragen wird.
Ein grosser gemeinsamer Nenner der vielen Gesprächen mit schweizerischen Bankvertretern in den letzten Monaten ist, dass das Thema Open Banking zwar interessant ist, aber immer noch eher tief priorisiert wird. Für den Durchbruch von Open Banking ist eine grössere Anzahl an Banken (“kritische Masse”) nötig, die sich nach den gleichen Standards öffnen. Dies wurde bis jetzt mit dem marktorientierten Ansatz noch nicht erreicht.
Andreas Imthurn kommt in seiner Dissertation “Auswirkungen der PSD2-Regulierung auf die europäische Finanzindustrie unter besonderer Berücksichtigung der sogenannten Open Banking APIs” zum Schluss, dass insbesondere auch aus Gründen der Rechtssicherheit sowie der Innovation und Wahrung des Wettbewerbsvorteils dem Schweizer Finanzplatz eine analoge Regulierung wie PSD2 zu empfehlen wäre.
Bei der Umsetzung von Open Banking mittels einer Regulation haben wir die grosse Chance, die Erfahrungen anderer Länder adäquat zu berücksichtigen. Wenn ich wünschen darf, wäre so das Open Banking der Schweiz: schnell, zielgerichtet und hoch standardisiert wie in Grossbritannien, international ausgerichtet, mit einer starken Weiterentwicklungskraft analog einer Berlin Group; es würde alle Akteure angemessen berücksichtigen und wäre ökonomisch effizient – im Sinne des Kunden.