Blogbeitrag Governance-Mechanismen im Kontext von Plattformen und Business Ecosystems

Weniger als 15% der Business Ecosystems sind langfristig erfolgreich – der wichtigste Grund für das Scheitern sind Schwächen im Governance Model.[1] Also ist es an der Zeit zu hinterfragen, welche Governance-Mechanismen grundsätzlich für Business Ecosystems zur Verfügung stehen und ob es Anwendungsbeispiele gibt (gelungen oder auch gescheitert). Die grundsätzlichen Dimensionen der Governance (Offenheit, Verteilung von Entscheidungsrechten, Wertverteilung sowie Koordination) haben wir bereits in einem anderem Blogbeitrag analysiert.[2] Im Folgenden liegt der Fokus daher auf einem möglichen Katalog an Anreiz- und Kontrollmechanismen für Business Ecosystems.

Wir nehmen an, dass es im Business Ecosystem einen Orchestrator gibt, der Eigentümer einer digitalen Plattform ist und die im Folgenden skizzierten Anreiz- und Kontrollmechanismen designt. Provider und Consumer als weitere Akteure werden einheitlich als Teilnehmende des Business Ecosystem bezeichnet.[3]

Bei den Anreizmechanismen können vier verschiedene Mechanismen unterschieden werden.[4]

Anbindung/Zugang (zur technischen Infrastruktur)

Hier geht es um das Teilen von Ressourcen mit den Teilnehmenden, die bei der Wertschöpfung im Busines Eocsystems unterstützen. Es ist strategisch zu entscheiden, wer die entsprechende Schnittstellentechnologie zur Verfügung stellt. Dabei kann es sich um den Orchestrator oder einen Drittanbieter handeln. Das Referenzdesign für diese Prozesse ist zu bestimmen, ebenso wie die technologische Anbindung z.B. via API oder Kollaborationsinstrumente wie Software Development Kits. In der Praxis sieht man häufig Developer-Plattformen als eine Möglichkeit der Anbindung.

Versorgung mit Daten

Für alle Teilnehmenden eines Business Ecosystem ist es für den Erfolg ihres Geschäftsmodells relevant, möglichst viele Informationen über die Kunden bzw. über geplante Interaktionen zu erhalten. Welche Informationsstrategie wird für die Plattform generell, aber auch im Hinblick auf die Kundendaten, verfolgt? Wissen kann über Hackathons oder durch Workshops weitergegeben werden, aber auch durch das schlichte zur Verfügung stellen der Kundenwünsche (gesuchte Produkte, Übernachtungen in welcher Region etc.). Dies bedingt auch die Festlegung auf die Art der Kommunikationskanäle zwischen den Teilnehmenden und dem Orchestrator.

Autonomie – Verteilung von Entscheidungsrechten

Dieser Aspekt ist aus meiner Sicht einer der Interessantesten, da er geschickt mit anderen Mechanismen kombiniert werden kann, um ein fein abgestimmtes Governance-System aufzubauen. Einerseits möchte jeder Teilnehmende eines Business Ecosystem die maximale Autonomie, bezüglich möglicher Regeln, welche er befolgen sollte. Andererseits kann eine gemeinsame Wertschöpfung, welche einem zentralen Kernwertversprechen folgt,[5] nicht ohne eine Alignierung der Interaktionen erfolgen. Es gilt einen Entscheid über das Ausmass der Autonomie der Teilnehmer zu fällen sowie Rollen und Verantwortlichkeiten im Business Ecosystem festzulegen. Darüber hinaus ist zu bestimmen, wer die Prozesse wie z.B. Verteilung von Informationen, Onboardingprozesse aber auch Plattformschnittstellen und Kernkomponenten z.B. des Offerings anpassen darf.

Ein spannendes Beispiel ist in diesem Kontext das Konzept des Superhost bei Airbnb.[6] Der Superhost muss bestimmte Qualitätskriterien erfüllen – wie ein bestimmtes Bewertungsniveau – aber auch bestimmte Antwortzeiten einhalten und von ihm ausgehende Stornierungen nur in sehr begrenztem Umfang durchführen. Dies bedeutet, dass sich der Superhost in seiner Autonomie einschränkt, dafür erhält er aber im Gegenzug ein «Label» und dadurch tendenziell mehr Buchungsanfragen.

Werteverteilung

Im Fokus steht hier die Verteilung von finanziellen und nicht-finanziellen Werten. Dabei kann es neben den direkten Erträgen auch um die Lenkung der Aufmerksamkeit von potenziellen Kunden gehen – wie in dem oben erwähnten Beispiel des Superhost. Auch Empfehlungen und generell Bewertungen von Kunden dienen der Lenkung der Aufmerksamkeit. Praktische Beispiele gibt es viele, sei es die Bewertung von gekauften Gütern, Hotels, aber auch die Beurteilung von Personen wie Fahrern bei Uber.

Kontrollmechanismen sind der Gegenpart der Anreizmechanismen: Zugangs-, Ergebnis-, Verhaltenskontrolle sowie die Kontrolle von externen Beziehungen zu anderen Ecosystemen können Teil von fein konzipierten Governance-Mechanismen sein.

Zugangskontrolle

Bei der Zugangskontrolle handelt es sich um einen Governance-Mechanismus, welcher festlegt, wem der Zutritt zu einem Business Ecosystem gewährt wird. Dies bedeutet, dass vorab klar sein muss, wer die gewünschten Teilnehmer in einem Ecosystem sein sollen. Beispiele für gelungene offene Zugänge sind bspw. der App Store von Apple. Hier werden nur die Rahmenbedingungen für das Hochladen von Apps definiert, aber im Grunde kann weltweit auf die Intelligenz von Entwicklern zugegriffen werden. Es gibt aber auch Beispiele mangelnder Zugangskontrolle wie bei shuddle, einer Art Ersatz für die Beförderung von Kindern durch Eltern.[7] Dort wurden nicht genügend Sicherheitskontrollen durchgeführt, so dass dieses Start-up seine unternehmerische Tätigkeit einstellen musste. Es gibt aber auch Beispiele, bei denen der Kunde keine maximalen Auswahlmöglichkeiten möchte. Insbesondere bei komplexen Projekten wie der Renovation eines Bades oder einer Küche scheint es allein rein vom Zeitaufwand zu genügen, wenn man sich mit zwei oder drei Anbietern auseinandersetzt. So präsentiert Houzy seinen Kunden pro abgegrenzte Region nur drei Handwerker, deren Qualität laut eigenen Aussagen geprüft wurde.[8] Im Grunde begründet der betrachtete Service, wieviel Wahlmöglichkeiten der Kunde wünscht.

Ergebniskontrolle

Hierbei geht es um die Beurteilung bzw. die Überwachung des Outputs und der Ergebnisse der Teilnehmenden in einem Business Ecosystem. Das Ergebnis kann bspw. über Bewertung (Ratings) durch die Kunden beurteilt werden. Zugleich müssen fehlerhafte bzw. manipulierte Bewertungen beispielsweise durch sog. Fake-Accounts verhindert werden. Typische Beispiele sind die Bewertung von Produkten auf dem Online-Marktplatz Amazon, die Beurteilung der Vermieter bei Airbnb oder der Fahrer von Uber.

Verhaltenskontrolle

Die Governance definiert auch, welche Arten von Interaktionen auf der Plattform erlaubt sein sollen. Darf bspw. der Kunde direkt mit einem Anbieter agieren oder sollen alle Austausche auf der Plattform stattfinden? Welche Restriktionen sollen ergriffen werden, wenn ein nicht gewünschtes Verhalten beobachtet wird? Open Table (eine Restaurantbuchungsplattform) behält sich vor – wenn Kunden in einem Zeitraum von weniger als 30 Minuten mehrmals Tischbuchungen stornieren – diese für eine gewisse Zeit von der Plattform zu verbannen.[9]

Externe Beziehungen zu anderen Business Ecosystems (Multihoming)

Grundsätzlich wäre es aus Sicht des Orchestrators wünschenswert, dass alle Interaktionen auf «seiner» Plattform bzw. in «seinem» Business Ecosystem stattfinden. Andererseits ist es schwer, ein solches Verhalten durchzusetzen. Hier können bspw. Mechanismen wie Rabatte gegen Exklusivität oder Selbstverpflichtungen genutzt werden. Airbnb hat u.a. deshalb den Payment-Provider tilt gekauft, um mehreren Mietern zu ermöglichen, die zu zahlende Miete innerhalb des Airbnb-Kosmos aufzuteilen, umso die Kunden stärker an das Airbnb Umfeld zu binden.[10]

Grundsätzlich stehen Orchestratoren daher eine Vielzahl von Mechanismen zu Verfügung, die es in der Kombination ermöglichen sollen, das Verhalten der Teilnehmenden im Sinne des Business Ecosystem zu steuern.


Quellen:

[1] https://www.bcg.com/publications/2020/why-do-most-business-ecosystems-fail

[2] https://ccecosystems.news/governance-im-ecosystem/

[3] Zu den verwendeten Begrifflichkeiten vgl. Grundlagen Business Ecosystems: https://ccecosystems.news/grundlagen-business-ecosystems-inkl-webinar-praesentation-als-pdf/

[4] Vgl. zu den folgenden Überlegungen L. Chen et al. (2022).

[5] 9 Schritte zur Erschliessung von Business Ecosystems: https://ccecosystems.news/9-schritte-zur-erschliessung-von-business-ecosystems/

[6] https://www.airbnb.de/help/article/829/

[7] https://www.failory.com/cemetery/shuddle

[8]https://www.houzy.ch/handwerker?gclid=Cj0KCQjwqP2pBhDMARIsAJQ0CzpUfl2cu34remW8elb8AgRA7PahWzKachBx6DJCupqc7v5oAKYzadAaAoEzEALw_wcB

[9] https://www.opentable.de/legal/terms-and-conditions

[10] https://techcrunch.com/2017/02/22/airbnb-finalizes-deal-to-buy-social-payments-startups-tilt/

Stefanie Auge-Dickhut

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