Empfohlene Rollenprofile im Kontext von Open Banking für Schweizer Bankengruppen

Dies ist der dritte und letzte Teil meiner dreiteiligen Beitragsserie, in welcher ich die Erkenntnisse rund um meine Masterarbeit zum Thema «Implikationen von Open Banking auf das Geschäftsmodell von Schweizer Universalbanken» an der Universität St. Gallen vorstelle (hier geht’s zum ersten Teil und hier zum zweiten Teil). Im ersten Beitrag habe ich mich mit den Implikationen von Open Banking auf das Geschäftsmodell von Schweizer Banken auseinandergesetzt. Der zweite Beitrag fokussierte auf die strategischen Rollenprofile, welche Banken im Kontext von Open Banking ausüben können. Im heutigen Beitrag möchte ich untersuchen, welche Rollenprofile sich für welche Bankengruppe in der Schweiz am besten eignen.

Open Banking beschreibt nach meiner gewählten Definition ein kollaboratives Konzept unter welchem Bankdaten über Application Programming Interfaces (API) zwischen zwei oder mehreren Parteien ausgetauscht werden, um so Mehrwert für den Endkunden bereitzustellen. Den Ursprung fand Open Banking in Grossbritannien und wurde anschliessend über die Payment Service Directive 2 (kurzgenannt PSD2) im Jahr 2018 für alle EU-Mitgliedstaaten und deren Finanzinstitute relevant.

Wie im zweiten Beitrag vorgestellt, lassen sich gemäss vorhandener Literatur vier strategische Rollenprofile unterscheiden, welche traditionellen Finanzinstituten im Kontext von Open Banking zur Verfügung stehen. Die vier Rollenprofile sind in der Abbildung 1 dargestellt und lassen sich bezüglich der Dimensionen Vertrieb («Distribution») und Service Erstellung («Service creation») unterscheiden. (Gozman, Hedman & Sylvest, 2018, S. 2–10)

Abbildung 1: Strategische Rollenprofile im Kontext von Open Banking.
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gozman, Hedman & Sylvest, 2018, S. 7.

Doch wie lassen sich diese Rollenprofile nun auf die Schweizer Bankengruppen ummünzen? Ich habe in meiner Masterarbeit drei verschiedene Bankengruppen unterschieden und gemeinsam mit vorhandener Literatur und Experteninterviews versucht, eine Empfehlung für die einzelnen Bankengruppen auszuarbeiten.

  1. Grossbanken (z.B. UBS)
  2. Kantonal- und Regionalbanken (z.B. St. Galler Kantonalbank)
  3. Privatbanken (z.B. Julius Bär)

Die drei Bankengruppen sind in der nachfolgenden Abbildung 2 in das initial vorgestellte Raster im Kontext der vier strategischen Rollenprofile eingeordnet. Die beiden Bankengruppen 2 und 3 wurden nochmals in zwei Kategorien eingeteilt, nämlich «kleinere Privatbanken» und «grössere Privatbanken» sowie «kleinere Kantonal- und Regionalbanken» und «grössere Kantonalbanken». Durch diese Granularitätsstufe lassen die unterschiedlichen Ausgangslagen der Banken adäquat berücksichtigen. In den nachfolgenden Abschnitten wird die Positionierung der einzelnen Bankengruppen im Detail erläutert.

Abbildung 2: Empfohlene Rollenprofile für einzelne Bankengruppen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gozman, Hedman & Sylvest, 2018, S. 7.
Grossbanken

Zu den Grossbanken zählen aktuell die UBS, Raiffeisen, PostFinance und die Zürcher Kantonalbank. Diese Banken zeichnen sich insbesondere ihre Grösse und entsprechende Marktmacht sowie durch die nationale Verankerung aus. Open Banking lässt diesen Banken grösstmögliche Freiheit, ihr Geschäftsmodell in den einzelnen bankfachliche Bereichen situationsadäquat zu erweitern. Die Experten trauen dieser Bankengruppe insbesondere die Rolle eines Producers zu, da diese Banken über die entsprechende Grösse verfügen, um dadurch Skaleneffekte («Economies of Scale») zu realisieren. Dadurch können Sie beispielsweise Produkte und Services in den bankfachlichen Bereichen Zahlen, Anlegen und Finanzieren wesentlich kostengünstiger und effizienter produzieren und abwickeln, als dies für kleinere Banken möglich ist. Die Rolle als Producer ermöglicht es Grossbanken, sich nicht nur in Wertschöpfungsketten von anderen Branchen zu integrieren («Embedded Banking»), sondern auch gewisse bankfachliche Bereiche für kleinere Banken auszuüben. Dies ist heute im Kontext des bankfachlichen Bereichs Anlegen bereits der Fall. Die Zürcher Kantonalbank bietet kleineren Kantonalbanken ihre Leistungen as-a-Service an. Im Kontext von Open Banking könnten in Zukunft weitere Kooperationen dieser Art entstehen und dank standardisierter APIs steigt die Integrations- und Abwicklungseffizienz bei allen Parteien.

Grossbanken sind des weiteren in der Lage die Rolle eines Distributors oder einer Plattform auszuüben. Sie können komplexe Kundenbedürfnisse durch die Integration von Drittdienstleistungen abdecken und dank übergreifender Customer Journeys ein einzigartiges Kundenerlebnis bieten. Als Beispiel könnte man an Leistungen rund um das Thema «Wohnen» denken. Zum Beispiel Angebote, welche jegliche Bedürfnisse von Hauseigentümern befriedigen. Der Aufbau eines Marktplatzes oder einer Vergleichsplattform von Handwerkern, welche direkt über die Plattform verglichen, gebucht und bewertet werden können. Darüber hinaus könnte man sich auch Umzugsdienstleistungen vorstellen, bei welchen man durch einen Klick sämtliche administrative Belangen rund um die Behördengänge, IKT-Dienstleistungen (z.B. TV, Internet) und Adressmutationen erledigen kann.

Die nachfolgende Abbildung 3 zeigt das Target Operating Model einer Grossbank in der Zukunft, welche die Rolle eines Producers und einer Plattform ausübt. Diese Bank scheint in allen Kundenprozessen (Zahlen, Anlegen und Finanzieren) Skaleneffekte zu erzielen und ist daher in der Lage, ihre Produkte und Services in diesen Bereichen an Drittunternehmen und sogar andere Banken zu vertreiben. Darüber hinaus war diese Grossbank in der Lage, eine nationale Plattform zu entwickeln und zu implementieren, über welche Drittunternehmen und deren Kunden interagieren können. Allenfalls werden gewisse Leistungen der Grossbank ebenfalls auf dieser Plattform angeboten (z.B. Onboarding, Payment).

Abbildung 3: Illustratives Target Operating Model einer Grossbank.
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Alt & Zerndt, 2020, S. 234.
Kantonal- und Regionalbanken

Die Schweiz besitzt aktuell 24 Kantonalbanken und rund 60 Regionalbanken. Diese Finanzinstitute unterscheiden sich enorm bezüglich ihrer Grösse und Markmacht. Daher wurde in der Abbildung 2 eine weitere Unterscheidung von grösseren Kantonalbanken (z.B. St. Galler Kantonalbank, Basler Kantonalbank) und kleineren Kantonal- und Regionalbanken (z.B. Appenzeller Kantonalbank, Bank Thalwil) getroffen.

Ähnlich wie bei den Grossbanken, sind die grösseren Kantonalbanken in der Lage, sämtliche Rollenprofile im Kontext von Open Banking auszuüben. Durch die Grösse ihrer Organisation sind sie eher in der Lage, Economies of Scale zu realisieren und entsprechend ihrer Kernkompetenzen gewisse bankfachliche Bereiche über ein Banking-as-a-Service-Angebot zu vertreiben. Nichtsdestotrotz macht es auch bei den grösseren Kantonalbanken Sinn, ihr Angebot spezifisch mit Drittdienstleistungen (z.B. Abonnementverwaltung, ausgewählte Versicherungsprodukte) und neuartigen Features (z.B. CO2-Fussabdruck-Analyse) zu erweitern. Die Rolle der Plattform wird von den Experten tendenziell zurückhaltender empfohlen. Es müsste sich um einen regional resp. kantonalspezifischen Use Case handeln, der zum Beispiel ein Bedürfnis oder Spezifika der Region anspricht. An dieser Stelle könnte man sich beispielsweise einen Marktplatz für lokale KMUs vorstellen oder irgendeine andere Plattform, welche lokale Produzenten und Konsumenten vernetzt.

Die kleineren Kantonal- und Regionalbanken sind aufgrund ihrer Grösse tendenziell nicht im Stande, Produkte und Services in den bankfachlichen Bereichen Zahlen, Anlegen und Finanzieren in einer Effizienz und einem Ausmass zu produzieren, dass diese wettbewerbsfähig am B2B-Markt angeboten werden können. Daher sollte das Ziel dieser Institute sein, sich gegenüber ihrer Kunden bestmöglich und mit einem breiten Service Offering zu positionieren. Dies können sie über die Rolle eines Distributors verwirklichen, in dem sie Drittdienstleistungen in ihre Wertschöpfungskette integrieren und allenfalls auch Angebote von anderen Banken (z.B. Asset Management von einer Privatbank) beziehen. Diese Banken können sich so dank Open Banking modular ein massgeschneidertes Angebot zusammenstellen.

Die nachfolgende Abbildung zeigt das Target Operating Model einer kleineren Regionalbank, welche hauptsächlich als Distributor auftritt. Im bankfachlichen Bereich Finanzieren scheint sie ihre Kernkompetenzen zu besitzen, weshalb sie hier weiterhin als Individualist auftritt. Die bankfachlichen Bereiche Zahlen und Anlegen bezieht sie «white-labelled» von einer grösseren Bank, welche diese Dienstleistungen wesentlich kostengünstiger und effizienter bereitstellen kann. Letztlich integriert diese Bank opportunistisch weitere Produkte und Services von Drittunternehmen, um ihren Kunden ein bestmögliches Service Offering bereitzustellen.

Abbildung 4: Illustratives Target Operating Model einer Regionalbank
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Alt & Zerndt, 2020, S. 234.
Privatbanken

Ähnlich wie die Bankengruppe der Kantonalbanken so kann auch die Bankengruppe der Privatbanken in kleinere (z.B. Vontobel) und grössere Institute (z.B. Julius Bär) unterschieden werden. Einleitend gilt zu erwähnen, dass das Geschäftsmodell der Privatbanken vermutlich etwas länger in der heutigen Form bestehen wird und diese Institute daher etwas länger als Individualist auftreten werden. Grund dafür ist die Natur ihres Geschäftes, des Private Bankings. Die Experten wiesen vermehrt darauf hin, dass im Private Banking die persönliche und vertrauensvolle Beziehung zwischen Kunde und Berater immer noch einen sehr hohen Stellenwert hat und dies in Zukunft auch weiterhin eine Zeit lang der Fall sein wird. Daher unterscheidet sich die Empfehlung, im Vergleich zu Banken, welche auf das Retail Banking ausgerichtet sind, markant.

Grössere Privatbanken sind am ehesten in der Lage, die Rolle eines Producers einzunehmen und so Dienstleistungen des bankfachlichen Bereichs Anlegen für Drittunternehmen und andere Banken bereitzustellen. Dieser Bereich gilt als Kernkompetenz dieser Finanzinstitute und ermöglicht ihnen, Produkte und Dienstleistungen wettbewerbsfähiger als andere Institute bereitzustellen und abzuwickeln. Nebst der primären Rolle als Individualist und Producer können grössere Privatbanken opportunistisch auch die Rollen eines Distributors und einer Plattform ausüben. Bei letzterer Rolle könnte man sich einen speziellen Marktplatz für den Handel von VC- und Private-Equity-Shares vorstellen. Dies sind meistens Investments, welche eine längere Haltedauer (z.B. 10 Jahre) und ein grösseren Initialbetrag (min. CHF 1 Mio.) voraussetzen. Entsteht nach ein paar Jahren ein Liquiditätsbedarf, so ist es aktuell schwierig, dieses Investment Stückweise zu veräussern. Die Experten betonten aber, dass Umsetzungen im Kontext von Plattformen einen konkreten Bezug zum Kerngeschäft von Privatbanken haben sollen, um so die Glaubwürdigkeit aufrecht zu erhalten.

Kleinere Privatbanken können ähnlich wie kleinere Kantonal- und Regionalbanken als Distributor auftreten und ihr Dienstleistungsangebot spezifisch mit Drittprodukten und -services erweitern. Auch bei dieser Subgruppe wird es vermutlich etwas länger dauern, bis die Veränderung stattfindet als dies im Retail Banking und Commercial Banking der Fall ist.

In der nachfolgenden Abbildung sehen wir eine Privatbank, welche als Producer und Distributor auftritt. Diese Privatbank war in dem bankfachlichen Bereich Anlegen effizient und kostengünstig genug, um ihre Dienstleistungen auch anderen Banken und Drittunternehmen zur Verfügung zu stellen. Die Bereiche Zahlen und Finanzieren hat sie aktuell «outgesourct», zum Beispiel an eine grössere Kantonalbank oder Grossbank, welche diese Bereiche kostengünstiger abdecken kann.  

Abbildung 5: Illustratives Target Operating Model einer Privatbank
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Alt & Zerndt, 2020, S. 234.

In diesem Blogbeitrag haben wir gesehen, dass sich den Banken in der Schweiz in Zukunft vielfältige Möglichkeiten eröffnen. Die Schweizer Banken sollten sich nun im Detail mit ihrer künftigen Positionierung auseinandersetzen und sich insbesondere fragen, welche Produkte und Services von den heranwachsenden Generationen in welcher Art und Weise in Zukunft nachgefragt werden. Die Rolle der Banken könnte sich in den nächsten Jahren markant verändern, sofern Führungskräfte von Banken vermehrt das Potenzial von horizontaler Wertschöpfung in Kollaboration mit Drittunternehmen (u.a. Ecosysteme) erkennen. Dies erfordert jedoch ein Umdenken von der heutigen, rein vertikalen Wertschöpfungslogik eines Individualisten. Die Rollen des Producers, Distributors und der Plattform ermöglichen eine einzigartige Ausgestaltung und Parametrisierung des eigenen Geschäftsmodells und dank standardisierter APIs entstehen Integrations- und Abwicklungseffizienzen. In Zukunft können Daten als zusätzliches Produkt angeboten werden und Banken müssen lernen, dies in ihrer Wertschöpfungsarchitektur zu berücksichtigen. Open Banking ist nur der Anfang einer viel grösseren Trendwende, nämlich der nahtlosen und unternehmensübergreifenden Handhabung von Daten in vernetzten Geschäftsmodellen. Gespannt schauen wir nun auf die Schweizer Banken und neu entstehende Kooperationen wie zum Beispiel jene von Coop und der Hypothekarbank Lenzburg im Kontext von «Coop Finance+».


Quellen:

Alt, R. & Zerndt, T. (2020). Bankmodell. In: Gramlich, P., Gluchowski, A., Horsch, K., Schäfer, K. & Waschbuch, G. (Eds.), Gabler Banklexikon (15. Auflage). Wiesbaden: Springer Fachmedien, 232–234. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20041-1

Gozman, D., Hedman, J. & Sylvest, K. (2018). Open Banking: emergent roles, risks & opportunities.           Twenty-Sixth European Conference on Information Systems (ECIS2018), Portsmouth, UK, 2018

Hypothekarbank Lenzburg. (2023). Coop geht mit der Hypothekarbank Lenzburg AG Partnerschaft ein. Abgerufen von https://www.hbl.ch/de/ueber-uns/medien-news/medienmitteilungen-und-news/2023/coop-geht-mit-der-hypothekarbank-lenzburg-ag-partnerschaft-ein/

Stefan Knaus

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