Implikationen von Open Banking auf das Geschäftsmodell von Banken 

Im Rahmen meiner Masterarbeit an der Universität St.Gallen durfte ich mich in den vergangenen Monaten vertieft mit dem Thema Open Banking und dessen Einflüsse auf das Geschäftsmodell von Banken auseinandersetzen. Open Banking beschreibt nach meiner gewählten Definition ein kollaboratives Konzept unter welchem Bankdaten über Application Programming Interfaces (API) zwischen zwei oder mehreren Parteien ausgetauscht werden, um so Mehrwert für den Endkunden bereitzustellen. Den Ursprung fand Open Banking in Grossbritannien und wurde anschliessend über die Payment Service Directive 2 (kurzgenannt PSD2) im Jahr 2018 für alle EU-Mitgliedstaaten und deren Finanzinstitute relevant. In diesem Kontext interessierten mich folgende drei Fragestellungen: 

  1. Welchen Einfluss hat Open Banking auf das Geschäftsmodell von Schweizer Universalbanken? 
  1. Gibt es strategische Rollenprofile, welche eine Bank im Kontext von Open Banking ausüben kann? 
  1. Wenn ja, welches Rollenprofil eignet sich für welche Bank und weshalb? 

Basierend auf einer systematischen Literaturrecherche habe ich initial erste Erkenntnisse zu den obigen Fragestellungen erhalten, welche ich im Anschluss im Rahmen von elf Experteninterviews mit Fachpersonen von Banken, Consultingunternehmen, Behörden und Service Providern validiert und erweitert habe.  

Dies ist der erste Teil einer dreiteiligen Blogbeitragsserie, in welcher ich meine Erkenntnisse vorstelle. In diesem Beitrag fokussiere ich mich auf meine Eindrücke und Erfahrungen zur ersten Forschungsfrage: Welchen Einfluss hat Open Banking auf das Geschäftsmodell von Schweizer Universalbanken? 

Abbildung 1: Open Banking Map 
Quelle: http://www.openbankingmap.com/ 

Die Schweiz verfolgt aktuell als eines der wenigen Länder (u.a. USA, Argentinien, Südafrika und China) einen marktgetriebenen Ansatz im Kontext von Open Banking. Die Europäischen Union verfolgt im Vergleich mit PSD2 seit 2018 einen regulatorisch getriebenen Ansatz zur Umsetzung von Open Banking. 

Der Schweizer Bundesrat hat sich letzten Dezember allerdings mit einer klaren Botschaft an die Schweizer Finanzinstitute gewandt und möchte die Entwicklungen rund um Open Banking beschleunigen. 

Abbildung 2: Botschaft des Schweizer Bundesrates 
Quelle: https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-92275.html 

Dies kann als klares Zeichen für die hiesigen Finanzinstitute gesehen werden, sich in den kommenden Monaten vertieft mit Open Banking auseinanderzusetzen. Der Bundesrat lässt aber aktuell noch offen, in welcher Art und Weise entsprechende Massnahmen aussehen könnten.  

Aus diesem Hintergrund stellt sich vielen Bankern aktuell die Frage: welchen Einfluss hat Open Banking auf mein aktuelles Geschäftsmodell? Um diese Frage strukturiert zu beantworten, habe ich in meiner Masterarbeit das Bankmodell von Alt und Zerndt (2020) verwendet. Das Bankmodell bietet einen prägnanten Überblick über alle wesentlichen Prozesse einer Universalbank. Betrachtet man nun den Einfluss von Open Banking im Rahmen dieses Modells, so kann man drei verschiedene Ebenen unterscheiden: strategisch, operativ und technisch/kulturell. Diese Ebenen werden nachfolgend im Detail ausgeführt. 

Abbildung 3: Bankmodell 
Quelle: Alt & Zerndt, 2020, s. 234 

Open Banking konfrontiert Banken auf einer strategischen Ebene mit diversen Fragestellungen. Mit Blick auf das Bankmodell sind damit insbesondere die Führungsprozesse involviert (z.B. Partnermanagement, Kanalmanagement- und Vertriebssteuerung). Zuallererst müssen sich Banken im Klaren sein, in welcher Art und Weise sie mit Open Banking ihr Service Offering erweitern oder verändern wollen. Dabei können sowohl Daten und Services von Drittunternehmen integriert als auch eigene Daten und Services anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Eine gute Hilfestellung liefert in diesem Kontext das «Framework for an Open Banking Strategy» von Standaert, Muylle und Cumps (2020, Ss. 369). 

Abbildung 4: Framework for an Open Banking Strategy 
Quelle: Standaert, Muylle & Cumps, 2020, s. 369 

Das Framework beinhaltet fünf Dimensionen, welche für die Definition einer Open Banking Strategie unbedingt zu berücksichtigen sind. Dazu gehören «Product», «Customer», «Ecosytem», «Datascape» und «Geographical Scope» (vgl. Abbildung 4). Im Kontext der Dimension «Product» sind nebst bestehenden Produkten und Services neu auch Daten ein Produkt, welche über geeignete Monetarisierungsmechanismen in integrierten Wertschöpfungsketten eingebettet werden können. Zusätzlich können dank Open Banking Daten, Produkte oder Services von Unternehmen ausserhalb der Finanzbranche in die eigene Wertschöpfungsarchitektur integriert werden. In der Dimension «Customer» geht es um die Kundenzentrierung des Service Offerings. Früher waren die Dienstleistungen einer Bank nur physisch in einer Filiale nachfragbar («Bank-Centric»). Heute positionieren sich Banken mit ihren Produkten und Services zunehmend in Konstellationen, welche Komfort und Einfachheit für den Endkunden ermöglichen («Customer-Centric», z.B. Mobile Banking anstelle von manuellen Zahlungsaufträgen). In der Dimension «Ecosystem» definieren Banken die entsprechenden Kanäle respektive jene Teile von integrierten Wertschöpfungsketten, in welchen sie ihre Dienstleistungen platzieren möchten. Dabei gibt es auch verschiedene Ausprägungen, welche von herkömmlichen Bankapplikationen («Bank Channels») bis hin zu Integrationen in Plattformen («Platform») reichen. Im Kontext der Dimension «Datascape» müssen Banken einen Weg finden, die umfassende Datenbasis zielgerichtet für die Entwicklung des Service Offerings zu nutzen und dabei die geltenden Datenschutz Regulatorien einzuhalten. Letztlich ermöglicht Open Banking dank der interoperablen API-Standards auch eine einfachere Kollaboration und Positionierung in internationalen Märkten («Geographical Scope»).  

Eine zentrale Rolle in der Ausarbeitung einer geeigneten Positionierung spielt die Kundenzentrierung. Banken müssen antizipieren, welche Produkte und Services ihre Kunden morgen wollen und zu welcher Zeit über welchen Kanal sie dies nachfragen werden. Dabei muss zwangsläufig ein Umdenken von rein vertikalen Wertschöpfungsketten hin zu horizontalen kollaborativen Wertschöpfungsarchitekturen in Business Ecosystems stattfinden.  

Auf einer operativen Ebene sind die Vertriebs-, Ausführungs- und Abwicklungs-, transaktions-bezogenen sowie transaktionsübergreifenden Prozesse betroffen. Bei einer Distribution von eigenen Produkten und Services via APIs an Kunden von Drittunternehmen (Banking as a Service) findet der gesamte Vertriebsteil sowie die Initialisierung und Erfassung der Transaktionen bei den Drittunternehmen statt. Die Bank übernimmt die Prüfung, Freigabe und Verarbeitung der Transaktion und sichert den Second-Level-Support. Auf der anderen Seite findet bei integrierten Produkten und Services (z.B. CO2-Fussabdrucksanalyse, Versicherungsprodukte) der Vertrieb in den Applikationen und den Kanälen der Bank statt. Die Transaktionen werden dann durch das Drittunternehmen verarbeitet. In diesem Kontext können auch gemeinsam neue Produkte und Services gestaltet werden. 

Die technische und kulturelle Ebene beinhaltet primär die Unterstützungsprozesse, welche unter anderem aus Personalwesen, Rechnungswesen und IT bestehen. Hier muss die Bank als erstes die technischen Fähigkeiten aufbauen, um überhaupt Open Banking betreiben zu können. Dazu gehören ein API-Management (u.a. API-Gateway, Access Policies) sowie ein Developer Portal, in welchem interessierte Drittparteien die Funktionalität der APIs testen können. Des Weiteren ist es essentiell, alle relevanten Abteilungen innerhalb der Bank von Beginn weg zu involvieren. So werden Tragfähigkeit und Akzeptanz des Projekts gefördert und das Know-how langjähriger Mitarbeitenden kann adäquat berücksichtigt werden. Letztlich sollte eine gemeinsam abgestimmte Marketingkampagne aufgesetzt werden, um so die Reichweite und Botschaft klar im Markt zu kommunizieren. 

Im nächsten Teil dieser Beitragsserie werde ich auf meine zweite Forschungsfrage eingehen und erläutern, welche strategischen Rollenprofile sich im Kontext von Open Banking unterscheiden lassen. 


Quellen: 

Alt, R. & Zerndt, T. (2020). Bankmodell. In: Gramlich, P., Gluchowski, A., Horsch, K., Schäfer, K. & Waschbuch, G. (Eds.), Gabler Banklexikon (15. Auflage). Wiesbaden: Springer Fachmedien, 232–234. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20041-1 

Bundesrat. (2022). Federal Council wishes to promote open finance. Abgerufen August 28, 2023, von https://www.admin.ch/gov/en/start/documentation/media-releases.msg-id-92275.html 

Open Banking Map. (2023). Open Banking Map. Abgerufen August 29, 2023, von http://www.openbankingmap.com/ 

Standaert, W., Muylle, S. & Cumps, B. (2020). Opening the gates: A framework for an open banking strategy. Journal of Digital Banking, 4(4), 364–376. 

Stefan Knaus

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