Workshopreihe «digitale Kundennähe»

Das OpenBankingProject.ch veranstaltet aktuell eine Workshopreihe zum Thema «digitale Kundennähe». Dabei untersuchen rund 40 Teilnehmende von 30 Unternehmen aus der Finanzbranche und darüber hinaus verschiedene Zielbilder und Use Cases, wie Banken sich über Konzepte wie Open Banking, Embedded Finance oder föderierte Systeme (sog. dezentrale Vertrauensnetzwerke) näher bei ihren Kunden positionieren können. Ziel ist es, den Endkunden auch ausserhalb des Bankings bei der digitalen Serviceerschliessung zu unterstützen und ihm mit Bankdaten, Produkten oder Services bei Seite zu stehen. So sollen nahtlose und medienbruchfreie Customer Journeys entstehen, die für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation darstellen, sowohl für Endkunden, Drittunternehmen, Banken als auch Provider. Auf der anderen Seite können aber auch Drittservices in die Customer Journeys der Bank integriert werden, um den Bankkunden bei der Befriedigung von Bedürfnissen rund um die finanzielle Sorgenfreiheit, ein allumfassenderes Erlebnis bieten zu können.

Die Workshopreihe besteht aus insgesamt fünf Workshopterminen. Die ersten vier Workshops haben bereits stattgefunden und wesentliche Erkenntnisse zu folgenden Themenfeldern geliefert:

Am ersten Workshop Anfang April wurden fünf verschiedene Zielbilder für die unternehmensübergreifende Kollaboration und Datennutzung eingeführt. Diese wurden im Vorfeld mit verschiedenen Anspruchsgruppen (Banken, Provider, Drittunternehmen) gemeinsam erarbeitet. Die Zielbilder sind in der nachfolgenden Abbildung dargestellt. Die Rollenbezeichnungen für die in den Zielbildern involvierten Unternehmen (Individualist, Integrator, Produzent, Plattform) werden in diesem Blogbeitrag des ccecosystems-Blog näher ausgeführt. Wichtig dabei ist zu erwähnen, dass Banken und bankfremde Unternehmen je der genannten Rollen besetzen können und somit im gleichen Zielbild sowohl als Produzent als auch als Integrator auftreten können.

Das erste Zielbild beschreibt eine traditionelle, direkte Serviceerschliessung. Der Kunde liefert seine Daten und gibt seinen Consent direkt beim Unternehmen, welches den Leistungsfluss bereitstellt. Man kann hier beispielsweise an die Eröffnung eines Bankkontos oder den Abschluss einer Versicherung denken. Je nach dem kann die Bank im Hintergrund eine Rolle als Banking-as-a-Service Provider spielen. Beispielsweise stellt die Hypothekarbank Lenzburg die Konten für die FinTechs neon und Coop Finance bereit.

Beim zweiten Zielbild, der indirekten Serviceerschliessung, handelt es sich um ein Kooperationsszenario nach PSD2 (Link). Ein Bankkunde kann gewisse Bankdaten (z.B. Kontoinformationen) einem Drittunternehmen (in diesem Falle dem Integrator) bereitstellen, welcher ihm dadurch beispielsweise ein besseres, einfacheres oder schnelleres Kundenerlebnis ermöglicht. Ähnlich funktionieren auch die Use Cases des Produktes BankIdent von der PostFinance. Beispielsweise haben die PostFinance-Kunden beim Abschluss eines Auto Leasings bei AMAG die Möglichkeit, gewisse Schritte im Onboarding zu Überspringen, wenn sie sich mittels BankIdent identifizieren. Eine erneute Video- oder Online-Identifikation werden so umgangen.

Das Zielbild 3 funktioniert sehr ähnlich wie das Zielbild 2. In dieser Konstellation orchestriert nun aber ein Intermediär den vom Kunden beauftragten Daten- und Consentfluss des Produzenten an den Integrator. Der Intermediär vereinfacht so die Zusammenarbeit der Produzenten und Integratoren, gewährleistet einen effizienten Datenaustausch (Einhaltung von API-Standards) und sorgt für eine einheitliche Governance und Compliance (u.a. Zulassungsprüfung, Vertragswesen). Ein potenzieller Produzent kann sich durch eine Anbindung an den Intermediär folglich mit wenig Aufwand viele verschiedene Integratoren erschliessen. Auf der anderen Seite besteht eine gewisse Abhängigkeit («Single Point of Failure») und Verhandlungsmacht durch den Intermediär und es besteht potenziell ein hoher Abstimmungsaufwand, bis sich Standards etablieren. Als Beispiel könnte an dieser Stelle Use Cases rund um SIX blink aufgeführt werden. Also beispielsweise die direkte Auslösung von Zahlungen (Payment Submission) und Ansicht von Kontodaten (Account Informationen) in einer Drittapplikation (z.B. Bexio, Klara, Abaninja).

Beim Zielbild 4 orchestriert eine Plattform die gesamte Customer Journey und integriert Daten, Produkte und Services von verschiedensten Produzenten (z.B. Banken, Drittunternehmen). Auch hier bestehen eine gewisse Abhängigkeit und Verhandlungsmacht durch die Plattform. Zudem verlieren die Produzenten die Schnittstelle zum Endkunden, können dafür aber auch viele potenzielle Neukunden gewinnen und ihre Marktpräsenz stärken. Als Beispiel könnte hier eine Wohnungsplattform genannt werden, welche dem Endkunden durch die Abfrage von Bonitätsdaten bei seiner Bank (Vermögen, Einkommen, Zahlverhalten) personalisierte Angebote bereitstellt und ihm dadurch auch die Besichtigung von «Liebhaberobjekten» mit hoher Nachfrage ermöglicht. Ein anderes Beispiel aus dem E-Commerce wäre das Angebot von verschiedenen, individuellen Teilzahlungsoptionen durch den Nachweis von Bonitätsdaten beim Check-out.

Das fünfte und letzte Zielbild fokussiert auf den Architekturansatz Self-Sovereign Identity, welcher sowohl bei der europäischen digitalen Identität als auch bei der Schweizer E-ID zur Anwendung kommen wird. Das ausstellende Unternehmen (Issuer) übergibt Informationen in Form von Verifiable Credentials (z.B. E-ID, Bonitätsnachweis, Arbeitsvertrag, Zeugnis) direkt an den Kunden (Holder). Diese kann diese Informationen in seinem Wallet aufbewahren und in den jeweiligen Use Cases mit ausgewählten Unternehmen (Verifier) teilen, sodass diese die Informationen mittels Anbindung an ein dezentrales Vertrauensnetzwerk verifizieren können. Der Kunde kann jederzeit bestimmen, wer, welche Daten verifizieren darf und hat so eine hohe Selbstbestimmung und Transparenz im Umgang mit seinen eigenen Daten.

Am zweiten Workshop haben wir verschiedene Impulse zur technologischen und regulatorischen Umsetzung der fünf Zielbilder gehört und diskutiert, welche Chancen und Gefahren diese für die involvierten Unternehmen bieten. Darüber hinaus haben wir einen Blick hinter die Kulissen von finnischen Banken geworfen, welche ihren Kunden seit geraumer Zeit eine Identifikationslösung bieten, um sich für vielfältige Use Cases aus verschiedensten Lebensbereichen zu identifizieren. Dazu zählen beispielsweise die Anmeldung für ein Studium, der Bezug von Arbeitslosengeldern, das Ausfüllen der jährlichen Steuererklärung oder die Gründung eines Unternehmens.

Der Workshop 3 vom 30.05.2024 fand bei der PostFinance in Oerlikon statt und stand ganz im Zeichen des Themas Use Cases. Verschiedene Impulse von PostFinance, Mesoneer, Partes und eMonitor stimmten die mehr als 30 Teilnehmenden auf die sich anschliessende Gruppenarbeit ein. Vier Gruppen untersuchten aktuelle Potenziale und Pain-Points von verschiedenen Lifecycle-Events im Leben von Privatpersonen – darunter: Wohnungssuche, Steuern, Konsum und Wohneigentum. Die Erkenntnisse wurden anschliessend verwendet, um Möglichkeiten zu identifizieren, wie die Bank sich mit Daten, Produkten oder Services für ihre Kunden positionieren kann, um die entsprechenden Potenziale oder Pain-Points zu adressieren. Dabei entstanden spannende Ideen für Use Cases, welche nun in den kommenden Wochen weiter geschärft werden.

Letzte Woche fand der Workshop 4 zum Thema «Schweizer E-ID und SSI-Ecosysteme» statt. Dieser Termin fokussierte im Detail auf das Zielbild 5 und die Implikationen und Potenziale von Self-Sovereign Identity für die Schweizer Finanzbranche. Die verschiedenen Impulsbeiträge lieferten spannende Erkenntnisse darüber, was beim Aufbau eines SSI-Ecosystem in der Finanzbranche zu berücksichtigen ist und inwiefern die Schweizer E-ID und rund herum entstehende sektorale SSI-Ecosysteme relevant für die Schweizer Finanzbranche sind. Zudem erhielten die Banken einen Einblick in die Potenziale und Implikationen für ihre Business Architektur und verschiedene Positionierungsmöglichkeiten und Use Cases wurden diskutiert.

Die Erkenntnisse der gesamten Workshopreihe werden am Workshop 5, am Donnerstag, 27.06.2024 von 14-17 Uhr bei der Ergon in Zürich vorgestellt. Dazu zählen auch die aufbereiteten und geschärften Use Cases des Workshop 3. Ziel ist es, die Use Cases zu validieren und zu priorisieren und entsprechende Projektteams für eine Umsetzung zu konstituieren. Wir freuen uns schon jetzt auf einen richtungsweisenden Workshop!

Stefan Knaus

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