Trendimpactradar 2023: Neue Trends für die Finanzindustrie – Teil 2

Im ersten Teil dieser Blogserie wurde der grundsätzliche Aufbau des Trendimpactradars des Competence Centers Ecosystems beschrieben. Dabei ist für die Anwendbarkeit des Radars entscheidend, dass nicht nur Trends mit unterschiedlicher Lebensdauer systematisiert werden, sondern auch der Impact dieser Trends auf die einzelnen Bereiche eines Unternehmens und von Business Ecosystems analysiert wird. In diesem zweiten Teil werden wir auszugsweise aufzeigen, welche Mikrotrends von uns neu im Radar aufgenommen wurden. Dabei erhöhte sich die Zahl der betrachteten Mikrotrends im Vergleich zum Vorjahr um 33 auf 143 Mikrotrends. Im Folgenden fokussieren wir in Form eines «Flashlight» auf die ausgewählten Themenfelder Daten, verändertes Kunden- und Mitarbeiterverhalten sowie Corporate Responsibility, die insbesondere durch sich verändernde Kunden- und somit in Teilen auch Mitarbeiterbedürfnisse gekennzeichnet sind. Das vollumfängliche, jährlich geupdatete Trendimpactradar mit all seinen 143 Mikrotrends sowie den übergeordneten Makro- und Megatrends stellt das Business Engineering Institute St. Gallen seinen Partnern zur Verfügung.

Themenbereich Daten

Im Datenkontext zeichnen sich deutlich wachsende Datenmengen ab. Diese werden u.a. durch Gesundheitsdaten und Daten im Kontext der Nachhaltigkeit getrieben. Beispielsweise soll sich der Markt mit Gesundheitsdaten von 11,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 bis zum Jahr 2025 auf fast 70 Milliarden US-Dollar nahezu versechsfachen [1]. Apps werden mittlerweile als Medizinprodukte behandelt, mit Hilfe derer bspw. via Bilderkennung Wunden analysiert und der zur Behandlung notwendige Antibiotikabedarf fallgenau berechnet und entsprechend gesenkt werden kann [2]. Im Bereich Nachhaltigkeit wird das Datenvolumen bereits durch die vielfältigen Regulierungsvorhaben massiv erhöht. Man denke nur an die Energieeffizienzklassen, um die Nachhaltigkeit von Gebäuden zu beurteilen, aber auch die Regulierung im Kontext von Investments, wie der EU-Green Bond Standard oder die EU-Ecolabel Initiative. Dabei zielt der EU-Green Bond Standard darauf ab, mehr Transparenz und Einheitlichkeit bei der Beurteilung von «grünen» Anleihen zu fördern und somit auch das Vertrauen von Investoren zu stärken. Die EU-Ecolabel-Initiative soll Verbrauchern die Möglichkeit geben, umweltfreundlichere Produkte sicherer zu erkennen.

Trotz der wachsenden Datenmengen verbleibt die Mehrheit der in Unternehmen vorhandenen Daten häufig ungenutzt. Sie zählen zu den sogenannten Dark Data [3]. Diesen Sachverhalt versuchen Konzepte wie Data Mesh oder Data Fabric zu lösen. Beide zielen darauf ab, die über Datenbanken oder Data Lakes verteilten Daten zu organisieren, um sie somit für das Unternehmen besser nutzbar zu machen. Data Fabric fokussiert eher auf die technologische Umsetzung, während sich Data Mesh auf organisatorische Änderungen konzentriert.

Über die unternehmensinterne Datennutzung hinausgehend werden immer mehr Services in branchenübergreifenden Netzwerken bzw. Business Ecosystems erbracht. Der Mikrotrend Data Ecosystems geht davon aus, dass intern generierte Daten unvollständig für die Bedürfnisse der Unternehmen sind. Unternehmen gehen zunehmend dazu über, neue externe Datenquellen in ihre Analysen mit einzubeziehen. Dabei kann es sich um verschiedene Arten von Daten handeln, die von Geschäftspartnern wie Lieferanten aber auch Regulierungsbehörden und anderen gespeist werden. Das Data-Ecosystem bildet dabei ein Netzwerk von Akteuren, die direkt oder indirekt Daten miteinander teilen und nutzen.

Themenbereich Kunde

Im Bereich Kunde sehen wir Makrotrends wie Identify Design, Pluralism und Gender Awareness.Die Makrotrends spiegeln den Sachverhalt wider, dass immer mehr Informationen verfügbar sind, die die individuelle Selbstgestaltung – das Spiel mit Identitäten – ermöglichen. Damit verbunden ist ein hohes Interesse an ethischen Themen wie Menschenrechte, Genderthemen und Feminismus. Dabei wird der Respekt der Pluralität auch von der Gesellschaft erwartet. Auf der anderen Seite führt die permanente Erreichbarkeit, der «Information Overflow» sowie die grenzenlosen Optionen der individuellen Gestaltung zu einer Reizüberflutung. Prävention und Behandlung von psychischen Leiden zum Erhalt der Mental Health werden zu einem zentralen Zukunftsthema. Weltweit sind die Zahlen psychischer Erkrankungen von Depressionen und Angststörungen allein in 2020 um 25 Prozent gestiegen [4]. Sie waren in Deutschland die häufigste Ursache für stationäre Krankenhausbehandlungen von jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren [5]. Diese Entwicklung wurde durch die Pandemie weiter forciert.

Themenbereich Mitarbeitende

Das Recruiting wird zukünftig in neuen Bahnen erfolgen. Wenn 2025 die Millennials – zwischen 1981 – und 1996 geboren – drei Viertel der weltweiten Belegschaft ausmachen, erwarten sie auch im Recruiting zeitgemässe Bewerbungsprozesse. Der Mikrotrend Next Gen HR spiegelt diesen Wandel wider. So bietet bspw. das Start-up goshaba im Kontext von Gamification spielerische Tests von Kompetenz und kultureller Eignung der Kandidaten an. Der Mikrotrend New Work Architecture stellt zudem auf das veränderte Verhalten der Arbeitenden ab. Phasen von Deep-Work in der Remote-Arbeit wechseln sich mit Aufenthalten im Büro ab. Die Funktion des Büros wandelt sich zu einem Hub für Co-Creating und Coworking. Die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und die Pflege der Unternehmenskultur stehen nun dort im Vordergrund. Gleichzeitig sollen Defizite des digitalen Arbeitens durch Datennutzung und -analyse überwunden werden, um die Balance zwischen Anwesenheit im Office und Remote-Arbeit zu optimieren (Mikrotrend Roboting Digital Workspace). Auch die KPIs werden sich wandeln – Mitarbeiterzufriedenheit, Burn-out-Quote etc. bekommen einen höheren Stellenwert.

Themenbereich Corporate Responsibility

Die veränderten Anforderungen, die Kunden und Mitarbeitende an sich und die Gesellschaft stellen, gehen ebenso wenig an den Unternehmen vorüber. Der Purpose der Arbeit bzw. des Arbeitgebers – also die Daseinsberechtigung des Unternehmens – wird immer bedeutsamer. Zugleich setzen Menschen die Unternehmen unter Druck. Erfolg wird zukünftig auch jenseits des finanziellen Ertrags definiert –bspw. durch Impact auf die Gesellschaft und schonenden Umgang mit Ressourcen (Mikrotrend Many faces of growth). Konsum stellt nicht länger das Eigentum an Produkten in den Vordergrund, sondern vielmehr den Zugang zur Nutzung bestimmter Produkte, was wiederum den Trend XaaS (Everything-as-a-Service) stärkt. Konsum ist aber auch Ausdruck der individuellen Identität und des ethischen Anliegens (Mikrotrend Consumption and GenZ). Diese neue Konsumlandschaft bewirkt, dass somit Mehrwerte anders generiert werden. Unabhängig von der grundsätzlichen hohen digitalen Affinität der Millennials bzw. GenZ – zwischen 1995 – und 2010 geboren -hat natürlich auch die Covid-19 Pandemie dazu geführt, dass generell in der Finanzindustrie ein höheres Digital Customer Engagement zu beobachten ist. Kunden nutzen Services verstärkt digital statt durch den physischen Besuch von Stores und Filialen.

Auch wenn der Impact des veränderten Kundenverhaltens vielleicht noch nicht unmittelbar auf der Kundenseite der Finanzindustrie zu spüren ist, so wird dies aber bereits auf der Seite der Mitarbeitenden sichtbar. Angesichts des Fachkräftemangels sind Banken und Versicherungen gut beraten, ihre Corporate Responsibility und ihre HR-Aktivitäten kritisch zu hinterfragen, ob sie diesen Herausforderungen gewachsen sind.


Quellen:

[1] Bolkart, Johannes, Umsatz mit Big Data im Bereich Healthcare weltweit bis 2025, Statista, 20.04.2022. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1185204/umfrage/umsatz-mit-big-data-im-bereich-healthcare-weltwei/

[2] Vohong, Truc Mai Dupont, Ten Technology Trends Moving into 2021, Bain & Company, 10.1.2020, https://www.bain.com/insights/ten-technology-trends-moving-into-2021/

[3] IBM, Let’s create Data Fabric statt Datensilos, 2022, https://www.ibm.com/de-de/data-fabric; REP-Splunk-Thought-Leadership-Dark-Data-120-LS_DE.pdf

[4] Vereinte Nationen, WHO verzeichnet starke Zunahme psychischer Erkrankungen durch Corona, https://unric.org/de/who17062022/

[5] Statistisches Bundesamt, Psychische Erkrankungen wurden 2020 bei 18 % der Krankenhausbehandlungen von 15- bis 24-Jährigen diagnostiziert, 9.8.2020, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2022/PD22_32_p002.html

Stefanie Auge-Dickhut

Was sind Deine Erfahrungen mit dem Thema? (Kommentieren geht auch ohne Anmeldung oder Einloggen; einfach kommentieren, auf Freigabe warten und fertig!)