Sustainable Finance: Ein Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft
Nachhaltigkeit ist in aller Munde und hat mittlerweile einen Einfluss auf sämtliche Regionen und Branchen der Weltwirtschaft. Vermehrt erwarten auch die Anspruchsgruppen der Finanzindustrie, dazu gehören Kunden, Investoren, Lieferanten und Aufsichtsbehörden, von den Finanzdienstleistern eine aktive Rolle bei der Finanzierung des Übergangs von einem linearen Wirtschaftssystem zu einer Kreislaufwirtschaft. Die ESG-Kriterien sind ein Werkzeug für Unternehmen, um sich nachhaltiger aufzustellen und den Regulationsbemühungen der politischen Entscheidungsträger und Aufsichtsbehörden nachzukommen.
Finanzinstitute befassen sich derzeit damit, Nachhaltigkeit sowohl in ihrer Geschäftstätigkeit als auch in ihren Produkten zu verankern. Ein Treiber dieser Transformation ist die Regulierung seitens der Aufsichtsbehörden. Sie ist allerdings bei weitem nicht der einzige. Die zahlenmässig grösste Kundengruppe von Finanzdienstleistern, Millennials, erwarten glaubwürdige Veränderungen. Vor allem die Covid-19-Pandemie hat dazu beigetragen, die Fragilität unseres Wirtschaftssystems, soziale Ungleichheiten und die Folgen unseres Ressourcenverbrauchs deutlicher aufzuzeigen. Um diesen Entwicklungen zu entsprechen, müssen Finanzdienstleister demnach den «Tone at the Top» richtig setzen und ihren Worten dann auch Taten folgen lassen. Zu diesen Taten zählt, Nachhaltigkeit in die Unternehmenskultur zu integrieren. Damit gemeint sind die Fokussierung auf einen nachhaltigen Unternehmenszweck, individuelle Verantwortlichkeit für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen, eine Entlöhnung, die nachhaltiges Verhalten incentiviert, und Diversität. Nachhaltigkeit sollte des Weiteren in die Unternehmensstrategie integriert werden, anstatt als «nice to have» betrachtet zu werden. [1]
Definition Kreislaufwirtschaft
Die Kreislaufwirtschaft, auch «Circular Economy» genannt, zeichnet sich dadurch aus, dass Rohstoffe effizient und so lange wie möglich genutzt werden. Damit unterscheidet sich diese Form der Wirtschaft von dem derzeit noch weit verbreiteten linearen Wirtschaftssystem. In letzterem werden Produkte hergestellt, verkauft, konsumiert und anschliessend weggeworfen. Die nachfolgende Abbildung 1 zeigt den linearen Produktionsprozess.
Dieser Prozess führt langfristig zu Rohstoffverknappung, Emissionen, grossen Abfallmengen und damit verbundenen Umweltbelastungen.
In der Kreislaufwirtschaft hingegen werden Produkte und Materialien im Umlauf gehalten und so können die Rohstoffe immer wieder von neuem verwendet werden. Dadurch werden weniger Primärrohstoffe verbraucht, es fällt weniger Abfall an und der Wert der Produkte bleibt länger erhalten. In der folgenden Abbildung ist die Kreislaufwirtschaft dargestellt.
Die Kreislaufwirtschaft ist somit ein ganzheitlicher Ansatz, welcher von der Rohstoffgewinnung über das Design, die Produktion und Distribution eines Produktes bis zu einer möglichst langen Nutzungsphase und zum Recycling den gesamten Lebenszyklus eines Produkts miteinbezieht. [2]
ESG-Kriterien stärken die Resilienz
Ein Begriff der in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat ist Environment Social Governance – kurz ESG. ESG beschreibt die systematische Berücksichtigung von umwelttechnischen, sozialen und führungsbezogenen Faktoren bei der Auswahl von Investments. In der nachfolgenden Abbildung werden die drei Kategorien anhand von Beispielen dargestellt. [3]
In der Umweltperspektive spielen die Umweltverschmutzung resp. -gefährdung, Treibhausgasemissionen oder Energieeffizienzthemen eine Rolle. Unter den Bereich Soziales lassen sich Themen wie Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Diversity oder gesellschaftliches Engagement (auch bekannt als Corporate Social Responsibility) subsumieren. Unter Governance wird vor allem eine nachhaltige Unternehmensführung verstanden. Dazu zählen Themen wie Unternehmenswerte oder Steuerungs- und Kontrollprozesse (Corporate Governance).
Durch diese Faktoren können vor allem bei der Analyse von Unternehmen Risiken aufgedeckt werden, die bei einer klassischen finanziellen Betrachtung nicht aufgedeckt worden wären. Die Covid-19-Pandemie hat viele dieser Risiken nun auch zum Vorschein gebracht. Dazu zählen unter anderem problematische Umstände bei der Mitarbeitergesundheit und -sicherheit, nicht ausreichende Massnahmen zur Betriebsstabilität in Ausnahmesituationen und allgemein das Krisenmanagement. Es ist daher nicht verwunderlich, dass viele Unternehmen, welche den ESG-Faktoren bisher Beachtung schenkten, gegenüber den aktuellen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie resilienter waren als jene Unternehmen, welche sich bisher nicht mit ESG auseinandergesetzt haben.[5]
Nachhaltigkeits-Agenda der EU auf Kurs
Die Covid-19-Pandemie hat zwar grosse wirtschaftliche Auswirkungen, dafür aber glücklicherweise keine Auswirkungen auf die Nachhaltigkeits-Agenda der politischen Entscheidungsträger und Aufsichtsbehörden. Insbesondere die EU schreitet mit ambitiösen Zielen bezüglich ihrer Klimapolitik voran und unterstreicht mit der Anpassung von Kapitalmarktregulationen die Verantwortung aller beteiligten Parteien, die Entwicklung zur kohlenstofffreien Wirtschaft voranzutreiben. Als Hauptziel des Aktionsplans, welcher im März 2018 aufgesetzt wurde, beschreibt die EU die nachhaltige, und somit klimafreundliche, Ausgestaltung der Finanzflüsse und die Förderung nachhaltiger Investitionen. Dadurch soll Europa ein Katalysator globaler Investitionen in grüne Wirtschaft und Technologien werden. Dies zeigt in diesem Kontext auch, dass die Regulationen ein dominanter Treiber der «Sustainable Finance» sind. [5 [6]
Entwicklungsdimensionen von Sustainable Finance
Sustainable Finance kann auf unterschiedliche Arten vorangetrieben werden, sowohl von der Unternehmung selbst als auch von ausserhalb durch Regulatoren oder Kunden. Die fünf Hauptdimensionen zur Verwirklichung von Sustainable Finance sind: Kultur, ESG-Due-Diligence, Regulierung, die nächste Generation und Digitalisierung. [5]
1) Kultur
Damit sich eine langanhaltende Veränderung in den Unternehmen einstellen kann, ist eine Berücksichtigung kultureller Triebkräfte unausweichlich. Bei der Verankerung nachhaltiger Verhaltensweisen im gesamten Unternehmen kommt es vor allem auf den Unternehmenszweck, die Eigenverantwortung, finanzielle Anreize und Diversity an.
2) ESG-Due-Diligence
In der Vergangenheit hat die ESG-Due-Diligence sich vor allem auf die Bewertung von Risiken konzentriert. Inskünftig könnte man Nachhaltigkeitsüberlegungen auch als Impuls zum Überdenken von Geschäfts- und Betriebsmodellen nutzen und so langfristige Optimierungsmöglichkeiten entdecken.
3) Regulierung
Der Schweizer Bundesrat spricht sich für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung aus und die EU nimmt Anpassungen an ihrem Regulierungsframework für die Kapitalmärkte vor. Der Fokus liegt auf einer klaren Betonung der Rolle der Privatwirtschaft zur Erreichung einer Kreislaufwirtschaft.
4) Nächste Generation
Millennials und die Generation Z haben klare Erwartungen an Convenience, Transparenz und vor allem an die Glaubwürdigkeit von Finanzprodukten. Soziale Netzwerke bekräftigen, dass in der heutigen Zeit die Reputation eines der ausschlaggebendsten Kriterien für Erfolg ist.
5) Digitalisierung
Die Digitalisierung agiert als wichtiger Treiber, um durch verbesserte Interaktionsmöglichkeiten neue Verbindungen zwischen Anlegern und Sustainable Finance zu schaffen und so grössere Vermögensströme in diesen Bereich fliessen zu lassen. Dazu zählt vor allem Digital Finance, welches eine Reihe von Tools umfasst, welche sich auf aktuelle Trends wie Big Data, Machine Learning, KI, Blockchain und IoT stützen.
Fazit und Ausblick
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass «nichts tun» nicht länger eine Option für Finanzinstitute sein darf. Die Forderungen der Anspruchsgruppen sind klar und werden sich in den nächsten Jahren vermutlich noch verstärken. Die Kreislaufwirtschaft beschreibt das Zielbild, welches nach erfolgtem Umdenken von sämtlichen Akteuren im Wirtschaftssystem angestrebt werden sollte. Die beschriebenen Treiber der Nachhaltigkeit geben nebst der Aussicht auf eine nachhaltige und auch erfolgsorientierte Geschäftstätigkeit den entsprechenden Anreiz für Finanzinstitute, das Thema Nachhaltigkeit tief in ihren Unternehmen zu verwurzeln.
Quellen
[1] KPMG. (ohne Datum). Clarity on Sustainable Finance. Abgerufen von https://home.kpmg/ch/de/home/themen/2020/06/clarity-on-sustainable-finance.html
[2] Bundesamt für Umwelt [BAFU]. (ohne Datum). Kreislaufwirtschaft. Abgerufen von https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wirtschaft-konsum/fachinformationen/kreislaufwirtschaft.html
[3] Haberstock, P. (ohne Datum). ESG Kriterien. Gabler Wirtschaftslexikon. Abgerufen von https://wirt schaftslexikon.gabler.de/definition/esg-kriterien-120056
[4] Vargas, M.; Sommer, F. (2018). Nachhaltige Kapitalanalagen – Chancen nachhaltig nutzen. Abgerufen von http://docplayer.org/6872763-Nachhaltige-kapitalanlagen-chancen-nachhaltig-nutzen.html
[5] Sprenger, P.; Schmucki, P.; Tatest, L. et al. (2020). Clarity on Sustainable Finance. [PDF] Verfügbar unter https://home.kpmg/ch/en/home/insights/2020/06/clarity-on-sustainable-finance.html
[6] Economiesuisse. (03.10.2019). EU-Aktionsplan zu Sustainable Finance. Abgerufen von https://www.economiesuisse.ch/de/dossier-politik/eu-aktionsplan-zu-sustainable-finance
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