Studie “Open Banking in der Schweiz: Stellenwert, Use Cases und Erfolgsfaktoren”

Seit rund vier Jahren ist Open Banking auf der Agenda der Schweizer Finanzbranche zu finden. Ein initialer Treiber war insbesondere die EU-Regulation PSD2, welche seit dem Jahr 2018 für alle Mitgliedstaaten Gültigkeit erlangte. Die Schweiz verfolgt bei der Umsetzung von Open Banking bisher einen marktgetriebenen Regulierungsansatz. Doch welches Verständnis hat die Schweizer Finanzbranche von Open Banking? Welche Use Cases haben am meisten Potenzial? Welchen Stellenwert hat das Konzept für Unternehmen im näheren Umfeld der Finanzbranche oder für die öffentliche Hand? Welche Erfolgsfaktoren müssen berücksichtigt werden, damit Open Banking in der Schweiz wirkungsvoll umgesetzt werden kann? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die aktuelle Studie “Open Banking in der Schweiz: Stellenwert, Use Cases und Erfolgsfaktoren”. Im Folgenden stellen wir Euch die wichtigsten Erkenntnisse in Form einer Executive Summary vor. Die vollständige Studie könnt Ihr auf der Seite des OpenBankingProject.ch unter diesem Link anfordern.

Welches Verständnis hat die Schweizer Finanzbranche von Open Banking?

Open Banking schafft durch offene und standardisierte APIs eine vereinfachte und effiziente Zusammenarbeit zwischen Banken und Drittunternehmen (sogenannte TPP [Third Party Providers]). Im Zentrum des Konzepts steht der Endkunde, welcher selbstbestimmt über den Umgang mit seinen (Bank-)Daten entscheiden kann. Open Banking befähigt nicht nur zur Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells, sondern begünstigt branchenübergreifende Innovationen in digitalen Ecosystemen.

Welche Open Banking Use Cases haben am meisten Potenzial?

Auf diesem Bild ist zu sehen, welchen bankfachlichen Bereichen die Befragten am meisten Potenzial für Open Banking zuschreiben.
Abbildung 1: Antworten zum Potenzial der bankfachlichen Bereiche

Insgesamt wird das Potenzial aller in der Umfrage enthaltenen Open Banking Use Cases als eher hoch bis sehr hoch eingeschätzt. Dennoch gibt es wahrnehmbare Unterschiede sowohl zwischen den Use Cases als auch zwischen unterschiedlichen bankfachlichen Bereichen. Die gedankliche Nähe zu PSD2 und somit zum Bereich Zahlen wird in den Rückmeldungen deutlich. Beim potenzialstärksten Use Case «Wiederverwendung von Identitäts- und Basisdaten» handelt es sich entgegen der Erwartung allerdings um einen bereichsübergreifenden Use Case. Die Beratungsintensität der Prozesse lässt die bankfachlichen Bereiche Vorsorgen und Finanzieren in der Tendenz auf die hinteren Plätze fallen.


Welchen Stellenwert hat Open Banking für Unternehmen?

Die Bedeutung von Open Banking für die Finanzindustrie wird von sämtlichen Zielgruppen als hoch eingestuft. VR- und GL-Mitglieder von Technologieprovidern schätzen diese für ihr Unternehmen am höchsten ein. Die Umfrageteilnehmer aus dem Bankensektor versprechen sich von Open Banking insbesondere eine Erweiterung des Dienstleistungsangebotes sowie eine gesteigerte Kundenzufriedenheit. Für alle Befragten braucht es konkrete Anwendungsfälle in Form von «Proofs of Concept» (PoC), um Open Banking zielgerichtet im Unternehmen zu thematisieren. Die Vernetzung mit anderen Unternehmen und die Formulierung einer Open-Banking-Strategie stellen nicht nur Voraussetzungen, sondern auch Erfolgsfaktoren für die Umsetzung dar. Letztlich sind die meisten Unternehmen bereit, sich ohne grössere Einschränkungen zu öffnen, und streben eine Positionierung als «Early Follower» oder sogar «Fist Mover» an. Unter den Banken wird dagegen eine Strategie der selektiven und opportunistischen Öffnung verfolgt. Hier positionieren sich lediglich 6 % als «First Mover».

Welche Erfolgsfaktoren müssen berücksichtigt werden, damit Open Banking in der Schweiz umgesetzt werden kann?

Standardisierte, von allen Marktteilnehmern akzeptierte APIs werden bei sämtlichen Zielgruppen als wichtigster Erfolgsfaktor von Open Banking genannt. Diese bieten den Unternehmen Investitionsschutz, garantieren eine effiziente Umsetzung (Time-to-Market) und sichern die notwendige Skalierungsfähigkeit von Open Banking Use Cases. Hierbei kann für die Mehrheit der Umfrageteilnehmenden ebenfalls die regulatorische Verpflichtung von Banken als ein Erfolgsfaktor identifiziert werden. Einerseits ist es laut den Experten wichtig, sich bei einer Regulation an Erfahrungswerten aus dem Ausland zu orientieren (z. B. PSD2, Open Banking UK) und andererseits dem Markt grösstmögliche Freiheit bei der Gestaltung regulatorischer Rahmenbedingungen zu überlassen. Abschliessend gehen rund 60 % der Befragten davon aus, dass Open Banking spätestens in 5 bis 6 Jahren bei einer Mehrheit der alltäglichen Prozesse (Einkaufen, Wohnen, Mobilität, Gesundheit, Freizeit etc.) zur Tagesordnung gehört. Hier gilt es, mit Partnern Innovationen im Bereich der Service- und Produktevielfalt zu entwickeln, um aus Kundensicht ein verbessertes Kundenerlebnis mit maximaler Ausrichtung auf deren Bedürfnisse zu schaffen.

Kommentar des OpenBankingProject.ch

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Open Banking unter den Umfrageteilnehmenden einen wesentlichen Stellenwert geniesst und darüber hinaus einiges an Potential bietet. Für den Finanzplatz Schweiz besteht derzeit allerdings eine sichtbare Diskrepanz hinsichtlich der Akzeptanz und der gelebten Umsetzung von Open Banking im Markt. Die insgesamt eher hohe bis sehr hohe Potenzialeinschätzung der unterschiedlichen Open Banking Use Cases zeigt, dass Open Banking, respektive die Erschliessung von Ecosystemen, in seiner Gesamtheit betrachtet werden muss und es nicht den «einen» Open Banking Use Case geben wird. Durch Sensibilisierung und Wissensvermittlung, aber auch durch die Umsetzung konkreter Anwendungsfälle können die Möglichkeiten von Open Banking erkannt und das Gedankengut weiter geschärft werden. Nur so gelingt es den Banken und Finanzmarktteilnehmern, sich im Sinne von «Embedded Finance» näher an den Kundinnen und Kunden sowie bei branchenfremden Unternehmen zu positionieren. Des Weiteren wird der Stellenwert eines regulationsgetriebenen Ansatzes zur Umsetzung von Open Banking durchmischt beurteilt. Das in der Schweiz verankerte Konsensprinzip sollte auch im Falle von Open Banking zum Einsatz kommen, sodass alle Akteure diese regulatorische Lücke nutzen und mit einem gemeinsamen Vorgehen gestalten. Ein gangbarer Weg ist die Vorgabe von klar definieren Datenstandards. Eine möglicherweise zielführendere Option wäre es, die standardisierte und sichere Verwahrung von Daten in einem Vertrauensnetzwerk in den Vordergrund zu stellen. Ausganspunkte können hier das revidierte Datenschutzgesetz (nDSG) im Jahr 2023 sowie die europäische DSGVO bilden, welche die Bedeutung von Daten und den selbstbestimmten Umgang mit ihnen weiter in den Mittelpunkt stellen.

Finanzdienstleister sind heute mit der Weitergabe ihrer Kundendaten an Dritte noch sehr zurückhaltend, auch aus den genannten regulatorischen Gründen. Dabei kann die Nutzbarmachung von Daten in Kombination mit Open Banking verstärkt zur Formung neuer Geschäftsmodellen führen. Ein standardisierter und effizient organisierter Datenaustausch über APIs ist dabei ein wesentlicher Bestandteil. Erst durch eine organisationsübergreifende Nutzung von Daten kann eine Kundenzentrierung in digitalen Ecosystemen erfolgen und können damit neue Kundenerlebnisse geschaffen werden. Finanzdienstleister werden weiter umdenken müssen, um die Möglichkeiten der verbesserten Kundennähe, verstärkten Kundenbindung sowie der Produktinnovation in diesen Ecosystemen wahrzunehmen zu können.

Die vollständige Studie könnt Ihr auf der Seite des OpenBankingProject.ch unter diesem Link anfordern.

OpenBankingProject.ch

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