Rückblick auf das Hypoforum 2018

Am bereits 11. Hypoforum (ehemals Fachforum für Hypothekar- und Finanzierungsmanagement) wurden aktuelle Entwicklungen im Bereich Hypothekar- und Kreditmanagement analysiert und mögliche Zukunftsszenarien diskutiert. Das Fachforum findet jährlich in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen und dem BBZ St. Gallen statt und trägt den sich stetig verändernden Rahmenbedingungen und Strukturen in der Branche Rechnung. Im folgenden Artikel werden die Inhalte des Hypoforum 2018 zusammengefasst. Weitere Informationen zur nächsten Veranstaltung am 20.11.2019 finden Sie unter https://www.hypoforum.ch/event/. Bei Anfragen für Vorträge oder Wunschthemen für das Hypoforum 2019 steht Daniel Proba gerne als Kontakt zur Verfügung (daniel.proba@bei-sg.ch). Übrigens: Die Teilnahme am Hypoforum kann für die SAQ Rezertifizierungen «Individualkundenberater», «KMU Kundenberater», «Certified Wealth Management Advisor (CWMA)» und «Affluent Kundenberater» angerechnet werden.

Einleitend sprachen Thomas Zerndt (CEO Business Engineering Institute St. Gallen) und Rebecca Nüesch (Managerin Eco-Systeme und Digital Ventures Helvetia AG) über die Relevanz von Business Ecosystems und räumten mit vorherrschenden Mythen in diesem Zusammenhang auf. Dabei wurden 5 Mythen sowie Grundüberlegungen und Beispiele zum Thema vorgestellt. Im Detail wurde der blockchainbasierte Mieterprozess der Hypothekarbank Lenzburg präsentiert, welcher in Kooperation mit dem CC Ecosystems entstand. Auch ein aktuelles Beispiel eines Ecosystems wurde diskutiert, nämlich das Business Ecosystem rund um das Unternehmen ThingsBy7. Abschliessend wurden die Mythen noch durch Erkenntnisse einer mit Deloitte gemeinsamen durchgeführten Studie untermauert und auszugsweise erste Ergebnisse der Studie vorgestellt. Die vollständige Studie wird am 7. März 2019 im Rahmen eines exklusiven Events in Zürich vorgestellt.

Anschliessend diskutierte Stefan Koller (Trendscout Digital Strategy and Innovation) von Swisscom e-foresight das Thema Business Ecosystems. E-foresight ist ein Research Partner für Banken mit aktuell 18 Partnerbanken (u. a. Valiant, Raiffeisen). Einer ihrer Aufgabenbereiche ist dabei die globale Beobachtung von Trends im Bankenumfeld und die Bewertung ihrer Relevanz für den Schweizer Markt. Stefan Koller sieht nicht Technologie als grösste Herausforderung für Ecosysteme, sondern die Frage, wie man sie nutzt und resultierende Potentiale umsetzt. Als Beispiel führte er hierzu die Blockchain-Technologie an. Die Blockhain-Technologie mit ihrem «Pionier»-Anwendungsfall Bitcoin wurde am Anfang als Substitut für den Paymentmarkt verstanden. Obwohl die Blockchain-Technologie viel Potential birgt, zeigt sich jedoch, dass sich der Fokus und die Anwendungsgebiete verändert respektive erweitert haben. Im Anschluss zeigte Stefan Koller noch die Relevanz von DLTs bzw. Blockchain-Technologie für den Hypothekarmarkt und insbesondere für die digitale Hypothek auf. Für neue Player sind diese entstehenden Nischen sehr spannend, aber der Markt für digitale Hypotheken in der Schweiz ist noch sehr klein – die rein digitale Hypothek existiert darüber hinaus noch nicht. Aber es zeigt sich auch eine Weiterentwicklung in diesem Bereich. Moneypark z. B. wird über 5 Mrd. CHF Hypothekarvolumen realisieren (im vgl. zu 4 Mrd. im GJ 2017). Ein Blick über den Tellerrand in andere Länder zeigt weitere spannende Entwicklungen, wie z. B. das Unternehmen Quicken Loans. Quicken Loans lancierte 2015 Online-Hypotheken und 2017 sind sie bereits mit 5 % Marktanteil der grösste Player im US-amerikanischen Markt. Sie brauchten dabei 19 Jahre von der Gründung bis zur Marktführerschaft in einem sehr langlebigen Markt. Zentrale Treiber der Veränderungen im Hypothekarmarkt sind aus Stefan Kollers Sicht neue Customer Journeys und dabei entstehende Daten, entstehende Ecosysteme, Konvergenz und aufbrechende Wertschöpfungsketten, Geschwindigkeit und Einfachheit, erhöhte Transparenz und Kundennähe sowie Anspruch an den «Human Touch». Plattformen und Ecosysteme sind keine Frage des „Ob“, sondern des „Wann“. Spannend ist die Frage des Umgangs mit der Komplexität, auch für den Kunden. Es braucht also einen Layer an der Kundenschnittstelle zur Komplexitätsreduzierung, jedoch kann das nicht jede Bank sein, schon gar nicht, wenn man Produkte aus einer ähnlichen Domäne anbietet. Das Aufbrechen von Wertschöpfungsketten wird in der digitalen Welt noch viel stärker voranschreiten und wird dazu führen, dass Kundenbedürfnisse weitaus umfassender befriedigt werden können. Das führt z. B. dazu, dass die Relevanz von Geschwindigkeit zunimmt, da die meisten Kunden nach 9-10 Minuten bei der Online-Hypothek abspringen, wenn diese nicht ihren Bedürfnissen entspricht. Hypotheken im digitalen Raum funktionieren anders und Apps bergen ein grosses Potential für Cross-Channel Beratung in der Filiale – auch für die Leadgenerierung in der Filiale.

Auch die Rolle von Kernbankensystemen für die Transformation zu Business Ecosystems wurde adressiert. Simon Kauth (CPO) und Robin Müller (Head Pre-Sales) von Finnova diskutierten die Rolle von Bankensoftware bzw. Kernbankensoftware bei der Transformation von Banken. Relevante Themen für die Finnova sind in diesem Zusammenhang vor allem Business Ecosystems bzw. die nachgelagerte Schnittstelle zu Partnern im Ecosystem und das Aufbrechen der Wertschöpfungskette im Sinne der Bereitstellung von Produkten verschiedener Banken in einem Gesamtprozess. Das mittelfristige Ziel der Finnova ist aus Produktesicht dabei: Orchestrierung der Customer Journeys, Analytics der Daten im Middle und Backoffice, möglichst schnelle Bereitstellung von Informationen für das Management und Selected-Third-Party-Integration. Auf Basis dieser Ziele wurde das Produkt «Loan Advisory» geschaffen, das viele der oben genannten Anforderungen integriert. In der sog. «Core Suite» werden ca. 200 Erweiterungen angeboten, sogenannte Optionen, wie z. B. das Mobile Banking und das Internet Banking. Das Produkt wurde anschliessend anhand eines Beispiels vorgestellt. Hierzu wurden ein vierstufiger Prozess zur Standardisierung präsentiert und anhand eines Beispiels die Möglichkeiten für die Erfassung von Spezialkrediten aufgezeigt. Finnova ist nicht für die UX zuständig, sondern unterstützt die Transformation durch Automatisierung und Qualitätssicherung im Hintergrund.

Im Anschluss präsentierten sich einige Start-Ups bzw. innovative Unternehmensbereiche etablierter Unternehmen aus dem Hypothekar- und Finanzierungsumfeld. Den Anfang machte Gerhard Gfeller, COO von Kreditfabrik.ch. Die Vision der Kreditfabrik: Sichere, professionelle und automatisierte Service-Lösungen im Hypothekenmarkt. Ziel ist dabei die Veränderung von Manufaktur zur Industrialisierung, Der aktuelle Kreditbearbeitungsprozess heute besteht aus vielen Einzelteilen, die zerstückelt bearbeitetet werden. Die Kreditfabrik versucht, den Prozess möglichst End-to-end zu digitalisieren. Am Beispiel eines Lohnausweises wurde ein Prozess aufgezeigt. Für die Erfassung wird OCR-Technologie verwendet wird. Die erfassten Daten werden automatisch in alle anderen Applikationen und Prozesse übergeben und dort, wenn möglich, automatisiert verarbeitet, bevor der Antrag dann zurück an die Bank geht für die Vermittlung beim Kunden.

Einen weiteren Ansatz zur teilweise digitalen Bearbeitung von Kreditprozessen zeigten Marcel Stauch (Bereichsleiter Digitalisierung & Kreditfabrik) und Oktay Alan (Leiter Verkauf & Support) von der GLKB. Sie stellten das Produkt «Hypomat» vor, das aus dem Margendruck und dem Bestreben entstand, den Markt zu erweitern und Hypotheken schweizweit anbieten zu können. Mittlerweile ist der Hypomat ein eigener Geschäftsbereich (Digitalisierung und Kreditfabrik). Die Zeit für den Kreditvergabeprozess wurde initial von ca. 5 h auf 1 h verkürzt. Die Herausforderung bestand damals darin, festzustellen, wie man den Kunden befähigt, seine Angaben selbst zu hinterlegen. Heute kann der Kunde in real-time seinen Zinssatz bestimmen. Basierend auf den Angaben erfolgt dann die Verarbeitung wie gehabt, jedoch beschleunigt durch Verarbeitung in der Kreditfabrik. Dabei gibt es jedoch auch Herausforderungen und die Umsetzung in der aktuellen Form kann nur durch Cherry Picking erfolgen (Anforderungen: Kreditvolumen 100.000 – 2 Mio. CHF; Domizil in der Schweiz und nur Privatkunden). Die Erfahrungen sind bisher, dass die Kunden durchaus in der Lage sind, ihre Angaben im Self-Service anzugeben. Das Angebot wurde 2017 nochmals erweitert: Mehrfamilienhäuser wurden integriert und das Hypothekarvolumen von 1 Mio. CHF auf 2 Mio. CHF erweitert. Ausserdem werden laufend neue Webservices entwickelt und eingebaut, z. B. durch Integration von WüestPartner für die Immobilienbewertung und Finnova Core Banking für die Anbindung von weiteren externen Serviceprovidern.

Anschliessend stellte Marcos Goncalves, Director of Business Development bei Crowdhouse, das Unternehmen Crowdhouse vor. Crowdhouse startete sein Business auf Basis der Erkenntnis, dass der Markt für Finanzierung und Investment in Immobilien sehr intransparent und kompliziert ist. Das entstandene Geschäftsmodell funktioniert als sog. Miteigentum (MITEG): Liegenschaften werden dabei zum Teil über Hypotheken finanziert und teilweise über Eigenmittel. Die Investoren investieren direkt in das Objekt und werden in das Grundbuch eingetragen. Sie werden dabei jedoch nicht Eigentümer einer gesamten Wohnung oder einer Etage, sondern nur eines Anteils. Crowdhouse betreibt dabei das Asset Management im Mandat. Externe beteiligte Partner sind Banken, aber auch Schätzer wie WüestPartner. Früher mussten dabei alle Investoren persönlich beim Notar vorstellig werden, heute wurden jedoch Lösungen gefunden, damit es für den Investoren einfacher wird (die Eigentumsübertragung läuft in Kooperation mit einer Anwaltskanzlei, sodass der Kunde nicht mehr persönlich vorstellig werden muss). Wie Marcos Goncalves feststellt, zeigt sich in der Realität, dass keiner 100.000 CHF einfach per Mausklick investiert. Zumindest nicht im Erstinvestment. Deswegen will Crowdhouse die physische Welt mit der digitalen Welt verbinden und einen hybriden Ansatz nutzen und plant nun Pop-up-Stores und Workshops, um das Konzept MITEG potenziellen Investoren näher zu bringen. Weiterhin wurden die bestehenden Produkte zum Miteigentum vorgestellt und die zukünftige Entwicklung von Crowdhouse skizziert, darunter die geographische Erweiterung und die Weiterentwicklung der Distribution.

Ein weiteres Proptech-Start-Up stellte Daniel Hug, CEO von Swisspeers, vor. Hierbei wurden die Potentiale der Blockchain-Technologie für den «Swisspeers Loan» aufgezeigt und die Implementierung des Kreditprozesses auf der Blockchain vorgestellt. Der Prozess läuft dabei folgendermassen: Es gibt jeweils einen Vertrag (z. B. für einen syndizierten Kredit), für den pro Franken Kreditsumme ein Token generiert wird. Investoren können dann mit ihrem eigenen Wallet Tokens erwerben oder sich ein Wallet von Swisspeers generieren lassen. Wenn das Geld eingeht, wird pro Kredit ein Smart Contract erstellt. Die Rahmenbedingungen wie Laufzeit und Coupon werden festgelegt und unveränderbar auf der Blockchain hinterlegt – dies geschieht aktuell noch zusätzlich zu den klassischen Darlehensverträgen. Eingehende Zahlungen werden nach Zins und Tilgung aufgeteilt und diese Information auf der Blockchain hinterlegt. Diese Information kann von jedem jederzeit eingesehen werden: Dies ermöglicht ein leichteres Handling im Sekundärmarkt bzw. man kann die Forderungen und die bereits gezahlten Leistungen leicht nachvollziehen. Aus Schuldnersicht ist es dadurch z. B. auch wesentlich einfacher zu sehen, wer aktuell Gläubiger ist. Aus Gläubigersicht können die Tokens unabhängig von Swisspeers gehandelt werden und werden dadurch ähnlich liquide wie z. B. Anleihen. Aktuelle Herausforderungen sind der KYC-Prozess, die Regulierung (z.B. Anti-Money-Laundering), die Legal Execution sowie die Volatilität und der Preis für Ethereum (bildet die zugrundeliegende Infrastruktur für die jeweiligen Smart Contracts).

Nach der Vorstellung der Start-Ups wurden noch relevante makroökonomische Trends betrachtet. Dazu präsentierte Ursina Kubli, Leiterin Immobilien Analytics bei der ZKB, aktuelle makroökonomisch Trends des Schweizer Marktes. Dabei beobachtet sie beispielsweise, dass sich der Markt für Mietwohnungen in der Schweiz teilweise entspannt, wenn auch auf weiterhin hohem Niveau. So beginnen erste Wohnungsanbieter in einigen Regionen der Schweiz mietfreie Monate bei Neueinzug zu vergeben. Einen Grund sieht sie dabei in der rückläufigen Zuwanderung in die Schweiz, da Einwanderer eine der Hauptnachfragegruppe für Mietwohnungen darstellen. Gleichzeitig ist die Bautätigkeit jedoch weiterhin hoch. Die meisten Städte bleiben dabei oft noch von Leerständen verschont. Anders gestaltet sich die Lage auf dem Eigenheimmarkt. Hier ist die Nachfrage weiter sehr hoch, da die Zinsen nach wie vor sehr niedrig sind.

Zum Abschluss des Hypoforums diskutierte Daniel Sigrist, Leiter Reporting und Projekte bei der Raiffeisen Gruppe, die Relevanz von datenbasierten Bewertungsmodellen für Kredite und die Potentiale neuer Technologien für das qualitative Wachstum im Kreditgeschäft. Ziel seines neu entwickelten Bewertungsmodells ist es, bewusster Risiken wahrzunehmen und diese richtig zu einzuschätzen. Nach seiner Einschätzung wurden Modelle früher häufig genutzt, um Eigenkapital einzusparen, was u. a. zu Entwicklungen wie der Subprime-Krise in den USA führte. Jedoch ist es mit den Modellen allein nicht getan. Man muss diese intern auch korrekt für die Kreditbewertung anwenden und Cherry Picking vermeiden. Häufig auftretende Fehler bei der Nutzung von Modellen sind seiner Meinung nach dabei entweder die richtige Nutzung falscher Modelle oder die falsche Nutzung der richtigen Modelle. Man muss sich hierbei immer der Schwächen und der Anwendungsgebiete von Modellen bewusst werden. Für den Aufbau von richtig guten Modellen braucht man also statistisches Wissen und bankfachliches Wissen – diese Fähigkeiten kombiniert am Markt zu finden gestaltet sich aber als schwierig. Für die Erstellung eines FINMA-zertifizierten Modells braucht es nach Einschätzung von Daniel Sigrist ca. 18-24 Personenmonate. Dabei sind die politischen Widerstände innerhalb der Organisation eine der grössten Herausforderungen bei der Implementierung dieser Modelle. Wenn man Modelle nutzen will, muss man sie immer wieder kritisch hinterfragen. Wichtig ist hierbei ein Verständnis, wozu ein Modell eingesetzt werden soll und wie es innerhalb der Bank eingesetzt werden soll. Zusätzlich stellen sich Fragen der Governance. Wichtig ist, dass die Modellierung nicht als eine Art «Zauberei» verstanden wird, sondern man immer erklären kann, was für Folgen Veränderungen der Parametern nach sich ziehen können. Hier sieht Daniel Sigrist auch die grösste Herausforderung für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML). Sein entwickeltes Modell zum Beispiel ist ein parametrisches Modell, AI- und ML-Modelle sind nicht-parametrisch und entsprechen eher einer Blackbox. Sie sind eventuell sehr anfällig für Schwankungen und die Zertifizierung durch die FINMA gestaltet sich aufgrund des mangelnden Verständnisses der Modell-Mechanismen im Einzelfall als schwierig. Jedoch können solche KI-/ML-basierten Modelle genutzt werden, um parametrische Modelle zu validieren. Vorgestellte Anwendungsfälle für die diskutierten Modelle sind dabei Risk Management, Stress Testing, Scenario Analysis, Risk Selection, Automated Monitoring und Expected Loss Accounting.

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann melden Sie sich gleich für das nächste Hypoforum 2019 am 20.11.2019 an (https://www.hypoforum.ch/anmelden/) oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir Sie auf den Mail-Verteiler für die kommende Veranstaltung nehmen können.

Daniel Proba

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