OKR – Der Weg zu einem erfolgreichen Unternehmen

Wenn Du nicht weisst, wo Du hinwillst, kommst Du möglicherweise nie dort an.

Yogi Berra

Im Jahr 1999 investierte Kleiner Perkins $11.8 Mio. in ein noch sehr junges Unternehmen im Silicon Valley, welches die Ambition hatte, einen Umsatz von $10 Mia. zu erreichen (Doerr, 2018). Das Unternehmensziel: Die Informationen der Welt zu organisieren und universell zugänglich und verwendbar zu machen. Heute, 23 Jahre später, erwirtschaftet Google einen Umsatz von über $180 Mia. bei einer Bewertung von über $2 Billionen (Fortune, 2022). Bei der Erreichung und vor allem Fokussierung solch hoher Ziele wendete Google unter anderem das OKR-Konzept an, welches John Doerr dem Unternehmen damals in der Rolle als Investor und Advisor mitgegeben hatte.  

OKRs, die Abkürzung von «Objectives and Key Results», ist eine Management-Methode, die dabei hilft, sicherzustellen, dass alle Aktivitäten zur Erreichung der gleichen, wichtigsten Ziele innerhalb der Organisation beitragen (Doerr, 2018).

Incentives sind falsche Anreize

Wie das Beispiel von Wells Fargo aus dem Jahr 2016 zeigt, kann die Definition, Messung und Incentivierung der falschen Ziele auch über Nacht $30 Mia. an Börsenkapitalisierung vernichten. Um die eigene Zielerreichung zu optimieren und Bonuszahlungen zu erhalten, haben einige Kundenberater tief in die Trickkiste gegriffen und ihrer Kreativität freien Lauf gelassen (Delko, 2016). Ohne das Wissen der Kunden wurden am Jahresende Kreditkartenkonten eröffnet, um die von oben diktierte Zielvorgabe, möglichst viele Kreditkartenkonten zu eröffnen, zu erreichen. Die gesetzten Ziele haben weder der Bank noch dem Kunden einen Mehrwert gebracht. Im Gegenteil, diese Aktion hatte eine Untersuchung der Behörden und somit einen Reputationsschaden zur Folge und hat nicht nur die bereits erwähnten $30 Mia. Unternehmenswert sondern auch über 5’000 Banker den Job gekostet. Der anfängliche Gedanke, die Kultur des Unternehmens mit dem gesetzten Ziel und dessen Incentivierung zu fördern, hat schliesslich dazu geführt, diese zu schädigen.

Was die Kundenberater bei Wells Fargo getrieben haben, ist ein extremes Beispiel für das sogenannte Business-Theater, wie es Lars Vollmer in seinem Buch «Zurück an die Arbeit» beschreibt. Darunter versteht er den «So tun als ob»-Modus in vielen Unternehmen, in denen Arbeit gespielt wird, um am Ende des Jahres für den Bonus gut dazustehen. Dazu zählen unter anderem endlose Meetings, das Produzieren von Berichten und ritualisierte Jahresgespräche. Das alles kostet sehr viel Energie und macht krank. Das Ziel sollte eigentlich sein, Wertschöpfung für die Kunden zu generieren.

Management by Objectives hat ausgedient

Winslow Taylor und Henry Ford waren Pioniere sowohl in der Messung der Produktionsleistung als auch der Analyse, wie sie diese entsprechend steigern könnten. Beide waren der Meinung, dass Effizienz und Profitabilität durch Autorität erreicht werden. Diejenigen, die die Aufträge erteilten, wüssten am besten, was die Mitarbeiter tun sollten und wie sie dies auf die beste und günstigste Art erreichen könnten, und sollten Arbeitsaufgaben entsprechend die Hierarchie hinunter delegieren (Doerr, 2018). Es gab zwar auch kritische Stimmen wie Mary Parker Follett, die schon 1926 in ihrem Aufsatz «The Giving of Orders» Machtaufteilung und gemeinsame Entscheidungsfindung als bessere Variante vertreten hatte und Hierarchien durch Netzwerke ersetzen wollte (Doerr, 2018); diese Auffassung konnte sich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht durchsetzen.

Einige Jahrzehnte später, in den 1950er Jahren, verwarf Peter Drucker dann das Taylor-Ford-Modell. Drucker meinte, dass ein Unternehmen auf Vertrauen und Respekt gegenüber den Mitarbeitern aufgebaut werden sollte. Ein wichtiges Merkmal unserer Natur ist das Bedürfnis nach Mitbestimmung und genau dieses Bedürfnis motiviert uns dazu, die uns selbst gesetzten Ziele erreichen zu wollen. Dieses Prinzip, auch bekannt als «management by objectives and self-control», behandelte er in seinem Buch «The Practice of Management» (1954). Das als MBO bekannte Prinzip wurde von vielen Unternehmen übernommen. Bei der Anwendung von MBO werden Mitarbeiter wie bei OKR in den Prozess der Zieldefinition miteinbezogen und sind frei in der Art und Weise, wie sie ihre Ziele erreichen. Die Ziele sind in der Regel quantitativ und somit steht vor allem das Resultat im Vordergrund (Workpath, 2020). Ein bekanntes Unternehmen, das dem MBO-Prinzip folgte, war Hewlett-Packard. Obwohl zahlreiche Studien den Erfolg des MBO-Modells belegten (Doerr, 2018), holten die Einschränkungen des Modells die Unternehmen trotzdem ein. Die zentrale Steuerung und träge Weitergabe der Ziele in weitestgehend voneinander unabhängig agierenden, siloartigen Unternehmensabteilungen bringt den MBOs nicht den nötigen Erfolg. Die Ziele werden von oben nach unten weitergegeben, ohne diese aktiv mit den Mitarbeitern zu besprechen und unterjährig zu aktualisieren. Das hat zur Folge, dass auf Ziele hingearbeitet wird, welche es sich nicht mehr zu verfolgen lohnt, und Opportunitäten werden verpasst. Einige Unternehmen haben sich sogar entschieden, seelen- und kontextlose Zahlen wie Key Performance Indicators (KPIs) einzuführen (Doerr, 2018) wie im obigen Beispiel Wells Fargo. Diese Kennzahlen zeigen, wie viele Verträge die Mitarbeiter z. B. in einem Quartal abgeschlossen oder wie viele Produkte sie verkauft haben. Dabei definiere ich weder mein Ziel noch, wie ich dieses erreichen möchte. Bei KPIs handelt es sich um Zahlen, welche den Output eines bereits bestehenden Prozesses darstellen (brightsolutions, kein Datum). KPIs in Kombination mit einem Incentive führen noch weniger zum gewünschten Ziel. Es hindert die Mitarbeiter nämlich daran, Risiken einzugehen, weil man dafür bestraft werden könnte. Wird der Bonus nur anhand von KPIs bestimmt, wird auf Biegen und Brechen versucht, diese Zahlen zu erreichen. Hingegen zeigen OKRs transparent auf, welche Aktivitäten ich für die Erreichung meiner Ziele verfolgen werde. Dazu kommt, dass diese sogenannten Key Results mit dem Vorgesetzten besprochen und bestenfalls durch das Team gechallenged werden.

Mit OKR werden ambitionierte Ziele übertroffen

Die Welt wird zunehmend unberechenbarer und ist teilweise ziemlich chaotisch. BANI fasst diese Veränderung in Worte und beschreibt die Welt als brüchig, ängstlich, nicht-linear und unbegreiflich (Mattenberger, 2021). Umso wichtiger ist es, dass ein Unternehmen auf neue Gegebenheiten angemessen reagieren kann. Der Finanzindustrie, welche bei der Verkörperung agiler Werte und Prinzipien noch in den Kinderschuhen steckt, bietet sich ein dynamischeres Steuerungsinstrument an (Bernhardt, 2019)  –  «Objectives and Key Results» (OKR). Es ermöglicht das Fahren auf Sicht. Das heisst, ich passe meine Ziele und Aktivitäten den sich verändernden Bedingungen an.

In Abbildung 1 werden anhand kurzer Beispiele zentrale Unterschiede zwischen MBO und OKR erläutert. OKRs geben zusätzlich an, wie Ziele erreicht werden, in welchen Zeitabständen sie bewertet und angepasst werden, und dass diese für sämtliche Mitarbeiter einsehbar und vor allem ambitioniert sind.

Abbildung 1 Unterschied MBO vs. OKR, Quelle: Doerr, 2018

Intel hat OKRs im Jahr 1971 zusammen mit Andy Groove, dem Vater der OKRs, eingeführt. Dabei verwendete er die Kernbegriffe Objectives und Key Results. Das Objective ist die Richtung, da wollen wir hin. Key Results sind Meilensteine und beides wird quartalsweise definiert und so operationalisiert, dass ihre Erreichung messbar ist.

Abbildung 2 OKRs von Intel, Quelle: Doerr, 2018

Abbildung 2 illustriert eine OKR von Intel aus dem Jahre 1975 mit dem Ziel, zu zeigen, dass der neue Chip schneller und besser performte als derjenige der Konkurrenz.

Um solch hochgesteckte Ziele erreichen zu können, ist es wichtig, sich auf die wichtigsten Aktivitäten zu fokussieren, durch die das Ziel erreicht werden kann. Das heisst unter anderem, dass pro Objective max. 3 bis 5 Key Results bestimmt werden sollten. Objectives orientieren sich an den Zielen des Unternehmens. Es liegt somit beim CEO und seinem Team, die ambitionierten Objectives so präzise wie möglich zu formulieren und die Key Results entsprechend darauf auszurichten. Die weiteren Bereiche und Teams legen ihre Objectives wiederum anhand der Key Results der vorhergehenden Stufe fest. Eine transparente Kommunikation und Präsentation der OKRs ermöglicht zusätzlich eine Alignierung der Ziele und garantiert, dass jeder im Unternehmen an den richtigen Zielen arbeitet. Ein weiterer Vorteil der öffentlich einsehbaren Ziele ist die Möglichkeit, Feedback zu OKRs zu erhalten und diese entsprechend anzupassen. Wenn man weiss, woran jemand arbeitet, können sämtliche Kollegen zudem ihre Hilfe anbieten, wenn es absehbar ist, dass jemand die Ziele nicht allein schafft.

Die Definition von Objectives inkl. entsprechender Formulierung der Key Results kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Somit ist das Aufsetzen eines entsprechenden Prozesses essenziell. Die OKRs müssen dazu nicht zwingend immer von top-down kommen, sondern sollten vorzugsweise bottom-up oder horizontal definiert werden. Die Ziele sollten vorzugsweise durch ein Tool, z. B. Miro oder JIRA verwaltet werden. Nur wenn sie einfach zugänglich, bearbeitbar und transparent sind, entfalten sie ihre volle Wirkung. Mitarbeiter sind umso mehr intrinsisch motiviert, je mehr sie sehen, dass das, woran sie arbeiten, auch einen direkten Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat. Bonuszahlungen sind nicht von der Zielerreichung der OKRs abhängig. Das hätte zur Folge, dass die Ambitionen beim Festlegen der Ziele und Aktivitäten zu tief angesetzt werden (Murakamy, 2015).

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die klare Bestimmung von einem oder mehreren OKR-Verantwortlichen. Das muss nicht unbedingt der CEO sein. Die OKR-Verantwortlichen stellen sicher, dass alle ihre OKRs rechtzeitig erstellen und diese den unternehmenseigenen Vorgaben entsprechen. Auch Vorgesetzte sollten daran erinnert werden, dass sie die OKRs ihrer Mitarbeiter challengen dürfen und sicherstellen sollen, dass diese mit den Unternehmenszielen übereinstimmen. Dazu gehört auch die Statusüberprüfung während des laufenden Quartals. Es ist nicht zielführend, drei Monate auf ein Ziel hinzuarbeiten, wenn bereits nach drei Wochen absehbar ist, dass sich das Marktumfeld verändert hat und die Ziele damit hinfällig geworden sind. In kürzeren Abständen (nicht täglich) wird somit entschieden, ob ein OKR noch relevant ist, angepasst werden muss oder sogar ganz gelöscht und durch ein neues ersetzt wird.

Abbildung 3 OKR-Framework (eigene Darstellung), in Anlehnung an: (Bernhardt, 2019), (Tan & Tieu, 2021) und (Raudaschl, Wanjek, & Qadria, o. J.)

Wie in jedem Prozess werden nach jedem Quartal die gesetzten Ziele reflektiert und bewertet. Wird die Erreichung eines Objectives tief bewertet, erfolgt eine Neueinschätzung. Wird das Ziel noch weiterverfolgt, gilt es zu bestimmen, welche Massnahmen getroffen werden, um es im nächsten Quartal zu erreichen. So wird sichergestellt, dass auch der OKR-Prozess ständig weiterentwickelt wird und Erfahrungen direkt in das nächste Quartal einfliessen (siehe Abbildung 3). Weiter ist in der Abbildung ebenfalls zu sehen, dass zusätzlich agile Prinzipien in das OKR-Framework einfliessen. Dazu zählen unter anderem die aktive Kommunikation und Interaktion, die Einbindung der Teams, da gewisse Ziele nur als Team umsetzbar sind, Schaffung von Freiräumen, die Reflektion und das Feedback für die stetige Weiterentwicklung und vor allem das Fokussieren auf das Wesentliche.

OKRs dürfen visionär sein und über den bekannten Fähigkeiten liegen. Innovation ist essenziell für ein Unternehmen. Werden konservative oder sogar die falschen Ziele verfolgt, wird in einem Unternehmen jeweils der jährlich gleiche Prozess wiederholt, was bekanntlich früher oder später zum Konkurs führt.

Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.

Albert Einstein

Quellen

Bernhardt, M. (27. März 2019). So werden Banken agiler und innovativer. Mit OKR mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Von https://www.der-bank-blog.de/so-werden-banken-agiler-und-innovativer/innovation/37653553/

brightsolutions. (kein Datum). OKR und KPI – Definition & Beispiele. Von https://www.brightsolutions.de/blog/okrs-vs-kpis-definition-unterschiede/

Delko, K. (16. September 2016). Fiasko bei Wells Fargo mit ernsthaften Folgen. Von https://www.nzz.ch/finanzen/aktien/falsche-konten-fiasko-bei-wells-fargo-mit-ernsthaften-folgen-ld.117064

Doerr, J. (2018). Objectives & Key Results: Wie Sie Ziele, auf die es wirklich ankommt, entwickeln, messen und umsetzen. Vahlen.

Fortune. (2. Februar 2022). Fortune 500. Alphabet. Von https://fortune.com/company/alphabet/fortune500/

Mattenberger, M. (27. Oktober 2021). Was bedeutet BANI? Von https://fh-hwz.ch/news/was-bedeutet-bani/

Murakamy. (25. August 2015). DIE VERKNÜPFUNG VON OKRS UND BONUSSYSTEMEN ZUR MITARBEITERMOTIVATION. Von https://murakamy.com/blog/2015/8/25/die-verknpfung-von-okrs-und-bonussystemen-zur-mitarbeitermotivation

Raudaschl, W., Wanjek, L., & Qadria, M. F. (kein Datum). So geht agile Führung mit ‘Objectives and Key Results‘ (OKR). Von https://www2.deloitte.com/de/de/pages/financial-services/articles/okr-framework.html

Tan, D., & Tieu, H. (29. April 2021). OBJECTIVES AND KEY RESULTS (OKR) – EIN EXPERTEN-INTERVIEW. Von https://www.haufe-akademie.de/blog/themen/controlling/objectives-and-key-results-okr-ein-experten-interview/

Workpath. (20. November 2020). OKR und MBO – Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Von https://www.workpath.com/magazin/okr-mbo

Fabian P. Lehner

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