Microsoft Copilot – Ein erster Blick auf den Arbeitsalltag der Zukunft?

Relevanz

Microsoft 365 hat weltweit rund 350 Millionen zahlende Nutzer [1]. Diese verwenden die Office Suite täglich, um Präsentationen zu erstellen, Daten zu analysieren oder im Team zusammenzuarbeiten. Der Großteil der täglichen Arbeit mit der Office Suite erfolgt manuell, eine Automatisierung ist aufgrund fehlender Kenntnisse nicht für alle Anwender möglich. Doch genau diese Herausforderung möchte Microsoft durch die Einführung des Microsoft 365 Copilot lösen. Was gestern nur durch geschultes Fachpersonal möglich war, soll heute durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) für jeden Anwender im Unternehmen möglich sein. Doch wie funktioniert der Copilot und welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es? Der folgende Beitrag geht diesen Fragen nach und stellt grundlegende Implikationen der Zusammenarbeit zwischen Menschen und künstlicher Intelligenz im Arbeitsalltag der Zukunft dar.

Enterprise-ready AI

Künstliche Intelligenz wird kontrovers diskutiert. Daher ist es notwendig, das Thema aus verschiedenen Perspektiven wie Strategie, Organisation, Architektur, aber auch Unternehmenskultur zu betrachten. In einem ersten Schritt wird die Technologie rund um den MS Copilot aus technischer Sicht analysiert. Die strategischen, organisatorischen, architektonischen und kulturellen Implikationen für den Copilot- und KI-gestützten Arbeitsalltag der Zukunft folgen in einem zweiten Schritt.

Der Blogbeitrag «Data-centric AI» – Eine Veränderung des KI-Mindsets?“aus dem Jahr 2022 bietet den idealen Einstieg in die Thematik der künstlichen Intelligenz und erklärt grundlegende Konzepte des Themengebietes [2]. Im Beitrag wird künstliche Intelligenz in die Untermengen Machine Learning und Deep Learning unterteilt. Der MS Copilot lässt sich in den Bereich des Deep Learning einordnen und verwendet sogenannte Large Language Models (LLM) [3], [4]. Hierbei handelt es sich um KI-Modelle, die darauf trainiert sind, menschliche Sprache zu verstehen und zu generieren.

Abbildung 1: Funktionsweise von Large Language Models [5]

LLMs verwenden komplexe Algorithmen, um große Mengen von Textdaten zu verarbeiten und Muster in der Sprache zu erkennen. Auf der Grundlage dieser Muster können sie Texte generieren, Fragen beantworten oder sogar menschliche Sprache verstehen und darauf reagieren (siehe Abbildung 1). Für das Training eines LLM werden große Datenmengen benötigt [6].

Der MS Copilot greift auf bereits trainierte Sprachmodelle zurück [7] und ermöglicht dem Nutzer mittels Texteingabe mit der KI zu interagieren. Was den Dienst von bestehenden Ansätzen unterscheidet, ist die direkte Integration in weitere Microsoft-Dienste mithilfe des Microsoft Graph [3]. Der Graph verknüpft Informationen aus Terminen, Chats und vielen anderen Datenpunkten von Microsoft 365 und ermöglicht somit verschiedene Anwendungsfälle durch den Einsatz der Enterprise-ready AI [3].

Abbildung 2: Übersicht – Microsoft Graph [8]

Use Cases

Die Integration des Copiloten in Office Apps ermöglicht neue Prozesse und Workflows für die Erstellung von Unternehmensinhalten. Präsentationen können auf Basis vorhandener Dateien und Dokumente erstellt, Datenanalysen ohne aufwendige Abfragen durchgeführt und visualisiert werden. Die manuelle Erstellung von E-Mail-Vorlagen und Besprechungsprotokollen gehört durch den Einsatz der neuen Technologie der Vergangenheit an.

Neben den genannten Anwendungsfällen führt die Integration mittels Microsoft Graph eine neue Servicekategorie ein, den Business Chat. Der Chatbot vereint alle Datenpunkte des Graphen und kann somit jederzeit Auskunft über unterschiedliche Bereiche der eigenen Arbeit geben (Chats, E-Mails, Termine, Dokumente, Kontakte, etc.) [3], [9]. Die Interaktion zwischen Menschen und Maschine erreicht damit ein neues, bisher nicht gekanntes Niveau und der Arbeitsalltag verändert sich maßgeblich. Doch wie wird diese Veränderung genau aussehen?

Implikationen für den Arbeitsalltag der Zukunft

Aus diesem Grund werden im folgenden Abschnitt unterschiedliche Bereiche eines Unternehmens untersucht, die sich durch den Einsatz von KI-gestützten Tools verändern (Strategie, Organisation, Kultur, Architektur).

Auf Ebene der Strategie (1) wird KI Unternehmen ermöglichen, durch die Analyse großer Datenmengen schnellere und präzisere Entscheidungen zu treffen [10]. Unternehmen werden in der Lage sein, Geschäftsstrategien auf der Grundlage umfassender Datenanalysen und -prognosen zu entwickeln. KI wird Unternehmen ferner in die Lage versetzen, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die sich an den Bedürfnissen der Kunden orientieren [11].

Um dies zu ermöglichen, müssen jedoch grundlegende Elemente der Organisation (2) an die neuen technologischen Möglichkeiten angepasst werden. Prozesse und Arbeitsabläufe ändern sich (z.B. durch die Erstellung von Unternehmensinhalten durch den MS Copiloten), Mitarbeiter müssen neue Fähigkeiten und Kenntnisse im Umgang mit der Technologie erwerben. Das Beispiel des bereits vorgestellten Large Language Models verdeutlicht diesen Sachverhalt. Damit das Modell die gewünschten Antworten und Textausgaben liefern kann, muss die Kommunikation und das Verständnis zwischen Menschen und Maschine aufeinander abgestimmt werden. Dieser Prozess wird auch als Prompt-Engineering bezeichnet. [12]. Dabei werden die Ausgaben der KI ständig mit den manuellen Eingaben des Benutzers verglichen. Durch Anpassung der Eingabekommandos kann die KI an das gewünschte Ergebnis herangeführt werden. Ein Beispiel verdeutlicht den Sachverhalt: Erst nach mehrmaliger Anpassung der menschlichen Eingabe generiert die KI eine Rechnung im richtigen Format. Zuvor wurde diese für die falsche Kundengruppe generiert, da die menschliche Eingabe keine Rückschlüsse auf die Kundengruppe zuließ. Der Prozess des Prompt Engineering muss derzeit von einem Menschen durchgeführt werden, es entsteht eine neue organisatorische Rolle, der Prompt Engineer. Dieser muss neben den technischen Möglichkeiten auch die Grenzen und Schwächen des KI-Systems kennen, um den bestmöglichen Output generieren zu können [13].

Abbildung 3: KI und der Arbeitsalltag der Zukunft

Aus Sicht der Unternehmenskultur (3) führen strategische und organisatorische Veränderungen zu weiteren Herausforderungen. Neben der Intransparenz strategischer Entscheidungen durch KI bestimmen die Themen Ethik und Privatsphäre den Einsatz Künstlicher Intelligenz im Arbeitsalltag. Menschliche Werte und Normen dürfen das Handeln von KI nicht zum systematischen Nachteil bestimmter Gruppen beeinflussen. Lösungsansätze bieten hierbei das Human Centered Design (HCD), bei welchem Mensch und Maschine die Grundlagen einer Entscheidung gemeinsam erarbeiten [10] oder das von der EU vorgestellte Konzept der Trustworthy AI [14]. Letztere charakterisiert vertrauenswürdige KI-Systeme entlang dreier Dimensionen: rechtmäßig (1), ethisch (2) und robust (3). Die Einhaltung von Gesetzen, ethischen Grundsätzen und Werten sowie die technische Sicherheit machen KI-Systeme vertrauenswürdig. Nur wenn diese Werte innerhalb und außerhalb der Organisation respektiert und akzeptiert werden, kann ein fairer und nachhaltiger Einsatz von KI im Arbeitsalltag gefördert werden.

Die vierte Dimension Architektur (4) beschäftigt sich mit dem Thema Daten sowie deren Sicherheit. Die Auswahl der Daten, deren Verwendung durch KI und Sicherheit stellen zentrale Aufgaben im Arbeitsalltag der Zukunft dar [15]. Insbesondere die Themen personenbezogene Datenverarbeitung und Datenintegrität sind hier zu berücksichtigen. Microsoft nutzt im MS Copilot verschiedene Ansätze, um diese Herausforderungen zu gewährleisten, wie z.B. Zwei-Faktor-Authentifizierung, Compliance-Richtlinien und spezielle Anwendungsarchitekturen [3]. Durch die Integration des Microsoft Graph werden neue Datenquellen für den Einsatz von KI zur Verfügung gestellt. Erst auf Basis einer klar definierten und strukturierten Datenlandschaft können Dienste wie der MS Copilot zukünftig einen Mehrwert im Arbeitsalltag bieten.

Fazit

Der von Microsoft vorgestellte Copilot für Microsoft 365 gibt erste Einblicke in den Arbeitsalltag der Zukunft und zeigt verschiedene Potenziale beim Einsatz von KI auf. Neben der effizienten Erstellung von Unternehmensinhalten bietet der personalisierte Assistent Business Chat neue Möglichkeiten in der Mensch-Maschine-Interaktion. Dennoch lassen sich unterschiedliche Implikationen für Unternehmen in der Zusammenarbeit mit KI identifizieren. Neben strategischen Vorteilen ergeben sich grundlegende Herausforderungen in der Weiterentwicklung der eigenen Mitarbeiter sowie deren Vertrauen in die Technologie. Der Arbeitsalltag der Zukunft wird von grundsätzlichen Fragen rund um die Themen Privatsphäre und Transparenz sowie technologischen Fragestellungen begleitet. Das Angebot des Copiloten stellt dennoch einen Meilenstein in der Nutzung von KI durch den Enterprise-ready AI-Ansatz dar.

Ressourcen

Das folgende Vorstellungsvideo zeigt die unterschiedlichen Anwendungsgebiete des Copiloten auf: https://youtu.be/S7xTBa93TX8


Referenzen

[1]  Daniel Ch, “Microsoft 365 Suite Revenue and Growth Statistics (2023),” SignHouse, 2023. https://www.usesignhouse.com/blog/microsoft-365-suite-stats (accessed Mar. 21, 2023).

[2]  L. Wrobel and T. Hackl, “«Data-centric AI» – Eine Veränderung des KI-Mindsets? | ccecosystems.news,” Apr. 29, 2022. https://ccecosystems.news/data-centric-ai-eine-veranderung-des-ki-mindsets/ (accessed Mar. 21, 2023).

[3]  J. Spataro, “Introducing Microsoft 365 Copilot – your copilot for work,” The Official Microsoft Blog, Mar. 16, 2023. https://blogs.microsoft.com/blog/2023/03/16/introducing-microsoft-365-copilot-your-copilot-for-work/ (accessed Mar. 21, 2023).

[4]  A. Lee, “What Are Large Language Models Used For and Why Are They Important?,” NVIDIA Blog, Jan. 26, 2023. https://blogs.nvidia.com/blog/2023/01/26/what-are-large-language-models-used-for/ (accessed Mar. 21, 2023).

[5]  Co:here, “Introduction to Large Language Models,” Cohere AI, 2023. https://docs.cohere.ai/docs/introduction-to-large-language-models (accessed Mar. 21, 2023).

[6]  T. Wu, M. Terry, and C. J. Cai, “AI Chains: Transparent and Controllable Human-AI Interaction by Chaining Large Language Model Prompts,” in CHI Conference on Human Factors in Computing Systems, New Orleans LA USA, Apr. 2022, pp. 1–22. doi: 10.1145/3491102.3517582.

[7]  OpenAI, “GPT-4,” 2023. https://openai.com/product/gpt-4 (accessed Mar. 21, 2023).

[8]  Microsoft, “Microsoft Graph overview – Microsoft Graph,” Mar. 16, 2023. https://learn.microsoft.com/en-us/graph/overview (accessed Mar. 21, 2023).

[9]  M. Crouse, “Microsoft adds Copilot AI productivity bot to 365 suite,” TechRepublic, Mar. 16, 2023. https://www.techrepublic.com/article/microsoft-copilot-ai-productivity-365-suite/ (accessed Mar. 21, 2023).

[10]     Deloitte, “Künstliche Intelligenz: Neue Dimension der Entscheidungsfindung,” Deloitte Deutschland, 2023. https://www2.deloitte.com/de/de/pages/technology-media-and-telecommunications/articles/kuenstliche-intelligenz-ki.html (accessed Mar. 21, 2023).

[11]     S. Girard et al., “The art of customer-centric artificial intelligence.”

[12]     E. Eliaçık, “What Is AI Prompt Engineering: Examples, And More (2023) – Dataconomy,” Jan. 27, 2023. https://dataconomy.com/2023/01/what-is-ai-prompt-engineering-examples-how/ (accessed Mar. 21, 2023).

[13]     D. Holzer, “KI schafft neue Jobs: Was macht eigentlich ein Prompt Engineer?,” BR24, Feb. 27, 2023. https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/ki-schafft-neue-jobs-was-macht-eigentlich-ein-prompt-engineer,TX4P23Z (accessed Mar. 21, 2023).

[14]     European Commission, “Ethics guidelines for trustworthy AI | Shaping Europe’s digital future,” Apr. 08, 2019. https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/library/ethics-guidelines-trustworthy-ai (accessed Mar. 21, 2023).

[15]     E. Van Gavrock, “Artificial intelligence design must prioritize data privacy,” World Economic Forum, Mar. 31, 2022. https://www.weforum.org/agenda/2022/03/designing-artificial-intelligence-for-privacy/ (accessed Mar. 21, 2023).

Lasse Wrobel
Benjamin Schaefer

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