Mehr Betriebsökonomen für das Compliance
«Das waren noch Zeiten», erinnert sich ein Kadermann einer kleinen Regionalbank in der Ostschweiz. Früher hatte eine Person gereicht, die die regulatorischen Vorgaben kontrollieren musste und die Bank war im sicheren Hafen. Dann kam der erste Knall, Lehman fiel, Banken mussten durch den Steuerzahler gerettet werden, das DoJ wurde zu einer ernst zu nehmenden Bedrohung, Banken wurden über Nacht übernommen und als ob man nichts aus dieser Misere gelernt hätte stehen die wichtigsten italienischen Banken nun ebenfalls vor einem Scherbenhaufen. -Wieder der Anfang einer Bankenkrise? –
In einer eigens durch das BEI | CC Sourcing durchgeführten Compliance-Umfrage bei Schweizer Banken war der Tenor der Legal/Compliance Kaderleute einstimmig. In den letzten 15 Jahren haben sich die personellen Bestände im Compliance, aber auch im Legal bis zu verdreifacht. Die vom Volk gewählte Politik reagierte – sie reagierte sogar in einer sehr hohen Kadenz. Inländische, wie auch ausländische Regulatoren schneiderten komplexe Gesetzestexte auf die Bedürfnisse der Steuerzahler. Die Banken mussten darauf reagieren, indem Sie immer mehr Personal einstellten, um der Regulierungsflut gerecht zu werden und nach schweizerischer Manier immer pünktlich und überkorrekt die Regulationen umgesetzt zu haben – koste was es wolle.
Kosten der regulatorischen Umsetzung sind nicht bekannt
Bei den Interviews aus der Umfrage – von Kleinbanken bis systemrelevanten Grossbanken – stellte sich heraus, dass die Benennung der Umsetzungskosten von Regulatorien im Compliance nicht genannt werden können. Je kleiner die Bank, desto weniger konnten konkrete Zahlen genannt werden. Je grösser die Bank, desto weniger ist die Bereitschaft vorhanden, die vorhandenen Aufwände gesamthaft und transparent zusammenzutragen.
Fazit 1: Die Kostentransparenz ist in regulatorischen Themen branchenweit nicht vorhanden. Entweder können die Zahlen aufgrund der buchhalterischen Voraussetzungen nicht eruiert werden oder es besteht zwar das Zahlenmaterial, jedoch wurden keine Reports erstellt, da sich niemand für diese Zahlen interessiert. Es wird somit der Geldhahn geöffnet, um risikoorientiert die Regulationen erfüllen zu können, jedoch ohne Fokus auf die Wirtschaftlichkeit in der Umsetzung.
Wo sind die Ökonomen im Compliance?
Die Realität bei den Banken zeigt, dass die allgemeinen Kontrollprozesse, die Effizienz in den Arbeitsabfolgen, Kostentransparenz in «change-the-bank» Projekten, aber auch in den «run-the-bank» Prozessen sichtlich, aber verständlich auf der Strecke liegen geblieben sind. Juristen kennen dies: «judex non calculat»!
Um dem wirtschaftlichen Fokus Rechnung zu tragen muss auch im Compliance ein Umdenken stattfinden. Kostentransparenz in den Prozessen, aber auch in der Umsetzung von regulatorischen Projekten erhält man nur dann, wenn man sich auch für die Zahlen interessiert. Die rechtswissenschaftliche Disziplin ist in ihrer Ausbildung nicht für die Auseinandersetzung mit Effizienzformeln, Return of Investments oder dem Führen von Projekten bekannt. Somit müssen Fachleute mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund als fester Bestandteil der Compliance-Abteilungen aufgenommen werden, um Prozesse compliant aber schlank zu halten und Projekte nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu führen, zu steuern und zu überwachen.
Fazit 2: Die etablierten Juristen, die das Gesetz und deren Auslegung detailliert kennen, brauchen zur Unterstützung Personen mit ökonomischem Fachwissen, um gemeinsam die Effizienz und die Compliance voranzutreiben. Ausserdem können sie dadurch die Banken in der Erfüllung der regulatorischen Pflichten unter Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Konsequenzen unterstützen.
Handlungsfelder entlang der gesamten Wertschöpfungskette
Die Handlungsfelder erstrecken sich über die gesamte durch die Regulation beeinflusste Wertschöpfungskette. Die Stichprobenkontrollen in den Eröffnungsunterlagen, die Transaktionen mit erhöhtem Risiko, die Personenabklärungen bei behördlichen Untersuchungen oder der Prozess von politisch exponierten Personen – das alles sind Beispiele für Prozesse mit Potenzial zur Effizienzoptimierung. Genau so ist der ökonomische Grundgedanke auch in der Umsetzung von regulatorischen Projekten einzubringen, um strukturiert Wechselwirkungen und Synergien zwischen den unterschiedlichen Regulationen zu erkennen und systematisch nutzen zu können.
Fazit 3: Es gibt ausreichend Handlungsfelder, wo ökonomisch ausgebildete Personen im Compliance per sofort tatkräftig unterstützen und massgebliche Beiträge leisten können.
Das BEI | CC Sourcing ist überzeugt, dass durch konsequente Nutzung von Synergien, Optimierungsansätzen, Automatisierung und Virtualisierung auch im Compliance effizient und wirtschaftlich orientiert gearbeitet werden kann ohne die Sicherstellung der Compliance zu gefährden. Wir bleiben an diesem Thema dran, und werden in einem der nächsten Beiträge im ccsourcing.news einen Ansatz zur Erkennung und systematischen Nutzung von Wechselwirkungen und Synergien zum Beispiel im Crossborder Geschäft nutzen zu können.