Daten helfen, neue Dienstleistungsmodelle­ zu entwickeln

[Dieser Artikel ist eine Vorabveröffentlichung eines Interviews mit Daniel Fasnacht, das in der Januarausgabe von “denaris – The magazine of the Swiss Association of Asset Managers” erscheint]

Susanne Brenner, Redaktorin «denaris»

Die digitale Selbstbedienung nimmt zu und die jüngere Generation fragt sogar soziale Communitys um Anlageempfehlungen an. Daniel Fasnacht stellt fest: Vermögensberaterinnen und -berater müssen künftig technologieaffin sein und die digitalen Möglichkeiten vermehrt nutzen.

«denaris»: Wann haben Sie zuletzt den Rat eines Finanzspezialisten eingeholt und auf welchem Weg?

Daniel Fasnacht: Das letzte Mal vor zehn Jahren, als ich meine erste Hypothek bei einer Bank abschloss. Diese muss ich bald erneuern und ziehe bei der nächsten Evaluation digitale Hypothekenplattformen mit ein. Damals gab es weder Vergleichsdienste noch Fintechs, was Angebot und Preistransparenz schwierig machte. Heute stehen uns im Internet eine Reihe von Vergleichsdiensten zur Verfügung.

Was kommt in den nächsten zehn Jahren auf Vermögensverwaltende zu?

Das Bankgeheimnis ist abgeschafft und die Zinsen sind bereits negativ. Wir kämpfen mit sinkenden Margen, veränderten Kundenbedürfnissen und immer mehr gesetzlichen Anforderungen. Das anspruchsvolle Marktumfeld erhöht die Komplexität und führt zu einer zunehmenden Unsicherheit. Agile Start-ups bedienen auf innovative Weise die Kundenbedürfnisse mit digitalen Angeboten und führen zu mehr Konkurrenz. Der Finanzplatz Schweiz kann allerdings ein sicherer Hafen für Vermögen bleiben. Denn Kriterien wie Stabilität, Vertrauen und Konsistenz werden für Anleger wichtig bleiben.

Ist diese Stabilität nicht auch trügerisch?

Hier sehe ich eine gewisse Ambiguität: auf der einen Seite stützen wirtschaftliche Probleme und die expansive Geldpolitik in Europa den Schweizer Franken als Fluchtwährung, andererseits hat die Schweizer Nationalbank die Geldmenge seit der Finanzkrise um das 13-Fache erhöht. Da die Geldmenge viel höher ist als in den meisten Ländern, steigt das Risiko einer Implosion, was verheerende Folgen für den Finanzplatz Schweiz hätte.

Gehen wir mal davon aus, dass das aktuelle Finanzsystem weiterlebt und sich weiterentwickelt. Welche Verän­derungen sind heute bereits offen­sichtlich?

Alles wird transparenter und Kunden sind dadurch besser informiert über Produkte, Preise und Performance. Kunden haben klare Erwartungen, welche elektronischen Zugänge sie haben möchten. Komfort wird immer wichtiger und das Kunden­erlebnis der Zukunft wird über mobile Apps nahtlos verschiedene Bereiche unseres täglichen Lebens abdecken.

Was braucht es also?

Kundinnen und Kunden erwarten, dass der Berater stets im Bild ist, was sie gerade benötigen. Die Kundenbindung sollte durch passgenaue Bedürfnisbefriedigung und Integration des Kunden in den Dienstleistungsprozess des Vermögensverwalters erfolgen. Bei dieser Form der sogenannten «Co­-Creation» müssen wir uns intensiver mit dem Kundenlebenszyklus auseinandersetzen und Daten besser bewirtschaften. Innovative Techno­logien erhöhen die Möglichkeit zum Design individualisierter Services für den Kunden.

Das tönt alles logisch!

Umso erstaunlicher ist, dass etliche Vermögensverwaltende keine Strategie oder kein Geschäftsmodell haben, welches der Veränderung von Kundenansprüchen und Technologien Rechnung trägt. Es braucht Aufklärung über den strategischen Mehrwert von Kundendaten und mehr Eigeninitiative, damit Marketing, Vertrieb, Kundenentscheidungsprozess und Service zusammenwachsen.

Was heisst das konkret für die Kundenbetreuung?

Für den Kunden sind Finanzdienstleistungen ein Mittel zum Zweck. Der Kunde sucht sich nicht ein isoliertes Produkt, sondern die passende Lösung für sein Bedürfnis, wobei Sicherheit, Bequemlichkeit und Preistransparenz, neben Performanceaspekten, zentral für die Entscheidung für einen Ver­mögensverwalter sind. Daten liefern ein gutes Verständnis der Weltlage und der Kapitalmärkte. Die daraus resultierenden Investitionsmöglich­keiten korrelieren aber oft nicht mit der aktuellen Kundensituation. Für eine individuelle und ganzheitliche Beratung müssen Informationen des Kunden ausserhalb des Finanzuniversums mit externen Daten intelligent verknüpft werden.

Welcher Aufwand ist damit verbunden?

Zuerst müssen wir folgende Fragen klären: Ist das Angebot auf das vermehrt digitale Verhalten des Kunden ausgerichtet? Welche digitalen Tools werden zur Verankerung des Vermögensverwalters im Markt genutzt? In welcher Form wird die Kundeninteraktion mit digitalen Prozessen unterstützt? Die Ist-Situation muss bekannt sein. Erst dann können Ziele formuliert, der Aufwand der Digitalisierung abgeschätzt und ein Transformationsplan erstellt werden.

Was sind die Erfolgsfaktoren?

Ein systematisches Vorgehen! Das Kundenerlebnis sollte stets aus der strategischen, technologischen und kulturellen Dimension beleuchtet werden. Dort, wo der grösste Handlungsbedarf besteht, gilt es in einem ersten Schritt zu erkennen, wo in Prozessen Verbesserungen möglich sind. Neue Geschäftsmodelle sind der letzte Schritt in der Transforma­tionsphase und sollten nicht angegangen werden, bevor die Digitalisierung erledigt ist.

Welchen Einfluss haben die etab­lierten Plattformen von Google, Apple, Facebook und Amazon (GAFA) auf den Finanzbereich?

Amazon und iTunes haben vor rund 20 Jahren das Einkaufserlebnis respektive die Musikindustrie revolutioniert. Vor weniger als zehn Jahren implementierten chinesische Firmen künstliche Intelligenz in ihre digitalen Plattformen. Die sogenannten BATX (Baidu, Alibaba, Tencent und Xiaomi) orchestrieren heute Marktplätze mit täglich weit über einer Milliarde Nutzerinnen und Nutzer. Neben Produkten bieten sie eine Vielzahl an Services an, die komfortabel mit Smartphones bezahlt und schnell geliefert werden. Diese digitale Selbstbedienung nimmt rasant zu und wird alle Branchen erfassen.

Wie sähe so ein Plattformsystem in der Vermögensverwaltung aus?

Obwohl gemäss Studien über ein Drittel aller als vermögend geltenden Personen ihr Vermögen über eine Plattform verwalten möchten, sehen wir bei unabhängigen Vermögensverwaltern kaum Plattform-Geschäftsmodelle und Ecosysteme.

Wie können Vermögensver­walterinnen und -verwalter denn ein Ecosystem aufbauen?

Das Konzept ist neu und die Entwicklung ist nicht ganz einfach. Wichtig ist, dass Vermögensverwaltende diese neuen Kooperationsformen in der Strategie verankern. Wir nutzen Ecosystem Assessment Tools, um festzustellen, welche Ecosysteme relevant für das Geschäft sind, Ecosystem Canvas für die Analyse und um Werteflüsse abzuleiten, und unseren Ecosystem Service Designer, um das Service Offering zu modellieren.

Was ist die künftige Rolle von Vermögensverwalterinnen und -verwaltern?

Skills wie die Pflege der persön­lichen Kundenbeziehung und Anlageberatung bleiben essenziell. Dazu kommt neu, dass sie auch technologieaffin sind. Sie werden zu Netz­werkenden und Katalysatoren, die auf die individuellen Kundenpräferenzen und -bedürfnisse eingehen und massgeschneiderte Lösungen von unterschiedlichen Providern anbieten, die optimal in die Lebenssituation des Kunden passen. Kundenberatende werden auch zu Ideenlieferanten und führen die soziale Interaktion.

Geht eine auf Vertrauen und Beziehungen­ basierende Vermögens­beratung zusammen mit «digitaler Selbstbedienung»?

Unsere Studien bestätigen, dass Kundinnen und Kunden Informationen im Internet einholen und die jüngere Generation sogar soziale Communitys um Anlageempfehlungen anfragt. Mithilfe von Technologie erledigen sie zwar einen Teil der Wertschöpfung selbst, für spezifische Fragen und komplexe Entscheidungen lassen sie sich dann trotzdem gerne beraten.

Welche Technologien können Vermögensverwalter einsetzen?

Alle unsere Bewegungen, Lebensereignisse, Zahlungs- und Vermögensströme, Berater-Kunde-Interaktionen und Aktivitäten in sozialen Medien werden durch eine Vielzahl von Tools aufgezeichnet. Wenn diese Daten intelligent ausgewertet werden, erhalten wir wertvolle Informationen. Ein Beispiel: Mit Predictive Analytics, der sogenannten Vorhersageanalyse, können durch das Verwenden historischer Daten und mithilfe von maschinellem Lernen Vorhersagen über noch nicht existierende Bedürfnisse gemacht werden. So können Lebenssituationen simuliert werden. Auf dieser Grundlage können neue Dienstleistungen entwickelt werden.

Haben Sie ein Beispiel für ein zukünftiges Geschäftsmodell, welches verändertes Kundenverhalten und Daten berücksichtigt?

Mit 5G, Open Banking, Connectivity und der zunehmenden Bereitschaft, Daten zu teilen, können tradi­tionelle Family Offices zu digitalen Marktplätzen werden. Neu wird sein, dass die Generationen X und Y sowie Menschen mit weniger als einer ­Million Anlagevermögen innovative Angebote erhalten.

Wo sehen Sie Wachstumsmög­lichkeiten?

Bedürfnisse müssen da abgefragt und befriedigt werden, wo sie entstehen. Dies ist nicht mehr unbedingt in den Räumlichkeiten der Vermögensverwalterinnen und -verwalter. Wettbewerbsvorteile entstehen, wenn der Beratungsprozess nahtlos mit der Kundenreise verknüpft und branchenfremde Services über digitale Platt­formen angeboten werden. In Zukunft wird über Kollaboration in Ecosystemen Neugeld generiert.

Daniel Fasnacht

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