Beschwerdemanagement als Dienstleistung im Banking
Haben Sie «Beschwerdemanagement bei Banken» schon einmal gegoogelt? Und was kommt dabei raus? Genau: «Ihre Zufriedenheit liegt uns am Herzen!». Fehlt diese Zufriedenheit, entschliesst der Kunden sich im besten Fall zur Beschwerde und die Bank erhält die einmalige Gelegenheit, die angeschlagene Geschäftsbeziehung wieder auf die richtige Bahn zu bringen. Was dann kommt, ist entscheidend: Der erlebte Prozess des Beschwerdemanagements wird in vielen Fällen den Ausschlag dafür geben, ob der betroffene Kunde die Bank wechselt oder nicht.
Sechs wichtige Leitplanken geben gemäss Lentz[1] den Rahmen für ein gutes Beschwerdemanagement:
- Erleichterung: Der Kunde muss sich möglichst leicht bei einer Unternehmung beschweren können.
- Schnelligkeit: Die Unternehmung muss möglichst schnell und kompetent auf eine Beschwerde reagieren können.
- Entschuldigung: Der Kunde und dessen Beschwerde werden durch die Unternehmung anerkannt und wertgeschätzt.
- Glaubwürdigkeit: Das Unternehmen kann dem Kunden glaubhaft eine Erklärung für das Problem geben.
- Entschädigung: Das Ergebnis, welches sich durch die Beschwerde ergeben hat, wird vom Kunden als angemessen empfunden.
- Aufmerksamkeit: Der Kunde erhält die Aufmerksamkeit, welche er sich von der Unternehmung wünscht.
In unserem Alltag sind wir alle Kunden und hatten in Bezug auf die Dienstleistungen, welche wir erfahren, sowohl gute als auch negative Erlebnisse. Eigentlich wissen wir alle, wie wichtig ein gutes Beschwerdemanagement ist. Und trotzdem klemmt es doch genau hier noch oft bei Banken. Warum ist das so? Ein guter erster Schritt zur Steigerung der Qualität in Bezug auf die Behandlung von Beschwerden ist die konsequente Befolgung des nachfolgenden Prozesses.
Der Beschwerdemanagementprozess besteht aus vier ineinandergreifenden Phasen (vgl. Abbildung[2]):
Feedbackstimulierung und -annahme: Um den Beschwerdeprozess einfach und schnell zu gestalten, braucht es niederschwellige Feedback-Möglichkeiten auf unterschiedlichen Kanälen (Internetseite, per E-Mail, Telefon, vielleicht sogar SMS usw.) und einen klaren Prozess, wie und von wem die Rückmeldungen weiterverarbeitet werden. Wer fühlt sich zuständig? Wer besitzt die relevanten Informationen?
Feedbackbearbeitung: Danach geht es um das Verständnis der Beschwerde und der offensichtlich nicht erfüllten, ganz individuellen Erwartungen. Was war das Problem? Welche Entschädigung ist die richtige für diesen Fall?
Feedbackreaktion: Zum Schluss muss der Beschwerdemanagementprozess auch definieren, wer wann wie die Rückmeldung an den Kunden/die Kundin gibt.
Ein umfassendes Beschwerde- respektive Feedbackmanagement kann von den Mitarbeitenden und Führungskräften jedoch nicht alleine gelebt werden. Eine Auseinandersetzung auf Stufe der Organisationseinheiten ist in einem zweiten Schritt unumgänglich. Die Kundschaft hat heute zahlreiche Möglichkeiten, mit ihrer Bank zu interagieren. Dabei gelangt man am Wochenende mit seiner Anfrage ins Callcenter, schreibt am Montag eine E-Mail an seinen Kundenberater und chattet dabei noch von unterwegs mit der E-Banking-Abteilung. Folglich ist es ohne zentral gesteuerte Infrastruktur und kanalübergreifendes Feedbackmanagementtool als Kundenberater gar nicht möglich, über alle notwendigen Informationen zu verfügen. So betrachtet wird das Thema Beschwerde- und Feedbackmanagement schnell zum Thema für die Geschäftsleitung – und dies ist im Kontext einer modernen Bank ein zwingender Vorgang.
Mit einem standardisierten Prozess im Hintergrund wird die wichtige Basis für eine einfache und schnelle Beschwerdebehandlung gelegt, gegenüber der Kundschaft muss der Prozess individualisiert sein oder zumindest individualisiert wirken. Das Bedürfnis, sich in seiner Unzufriedenheit verstanden zu fühlen, kann nur durch eine individuelle Behandlung gedeckt werden. Damit dies gelingt, braucht es eine entsprechende Unternehmenskultur, ein gemeinsames Verständnis, dass Kundenbeschwerden eine Chance sind, sich zu verbessern (auch wenn man vielleicht schon glaubt, zu den Besten zu gehören), dass Beschwerden eine Chance sind, etwas Verpatztes wieder gut zu machen und die Kundenbindung zu erhöhen oder durch ein positives Kundenerlebnis sogar weiterempfohlen zu werden und neue Kunden und Kundinnen gewinnen zu können. Es braucht aber auch Handlungsspielraum bei denen, die im direkten Kontakt mit der Kundschaft stehen. So sollen Kundenberatende nebst einer von Führungskräften gelebten Feedbackkultur auch die Möglichkeit bekommen, pragmatisch, schnell und ohne grosse Rechtfertigung finanzielle Wiedergutmachung geltend zu machen oder zumindest über das Budget für ein Kundengeschenk verfügen.
Und ja: Beschwerdemanagement ist auf den ersten Blick prozessgesteuert und wenig attraktiv, jedoch kann es bei richtiger Anwendung ein starkes Mittel zur Kundenbindung sein. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass das Halten von bestehenden Kundenbeziehungen deutlich günstiger ist als die Akquise von neuen. Als Führungskraft lohnt es sich, Zeit in dieses Thema zu investieren und die wöchentliche Teamsitzung mit einem Best-Practice-Beispiel in diesem Kontext zu bereichern, zumal eine gelebte Feedbackkultur nicht nur gegenüber der Kundschaft wichtig ist, sondern auch der Teaminteraktion einen grossen Mehrwert bringen kann.
[1] Lentz, P. (2007). Der Einfluss des Marktklimas auf das Beschwerdeverhalten von Konsumenten. Eine empirische Untersuchung in der Finanzdienstleistungsbranche. 1. Aufl. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag (Gabler Edition Wissenschaft. Applied marketing science = angewandte Marketingforschung).
[2] Abb. In Anlehnung an: Stauss, B. (n. d.). Beschwerdemanagement. Gabler Wirtschaftslexikon, abgerufen am 26.11.2018 unter https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/beschwerdemanagement-28225/version-251860
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