Banken – institutionelles Vertrauen ist nicht für das digitale Zeitalter konzipiert

Vor wenigen Jahren, als Bankkundenberatende noch mit einem grundsätzlichen Vertrauensvorschuss gegenüber der Kundschaft ihren Alltag bestritten und die Auswirkungen des sich erst formenden Digitalisierungstrends in ihrem Ausmass noch nicht abzusehen waren, standen die Vorzeichen zum Beruf noch anders.

«Es war einmal ein Bankkundenberater, ein angesehener Mann der Gesellschaft. Seine Kundinnen und Kunden schätzten es, dass er sich Zeit für ihre Beratung nahm und vertrauten auf sein Urteil. Es war eine Zeit, in der Eltern ihren Kindern nahelegten, einen anständigen Beruf zu lernen – z. B. Bankkundenberater…»

Alles alte Geschichten? Vielleicht nicht: Heute, zehn Jahre nach der letzten Bankenkrise, hat sich das Vertrauen in die Bankinstitute aus globaler Sicht weitgehend erholt und Finanzexperten stehen wieder weit oben auf der Liste der vertrauenswürdigen Personen1.

Und dennoch zeigt das Edelman Trust Barometer 20182, dass es die Banken in keinem der untersuchten europäischen Länder aus dem Misstrauensbereich herausgeschafft haben. Warum? Vielleicht liegt es daran, dass sich mit der Digitalisierung auch die Vertrauensstruktur in der Gesellschaft verändert3. Eine Veränderung, die die Nutzung der neuen Technologien für eine breite Masse erst ermöglicht: Online-Banking oder das Zahlen mit Kreditkarte im Internet setzen sich nur dann durch, wenn eine grosse Anzahl Kundinnen und Kunden dem Anbieter zutraut, vertrauensvoll mit ihren Daten umzugehen. Online-Portale für Mitfahrgelegenheiten wie „Blablacar“ sind nur dann erfolgreich, wenn die Nutzer darauf vertrauen, dass die anderen Nutzer der gleichen Plattform vertrauenswürdig sind. Den Erfolg von Airbnb z. B. macht nicht die technische Innovation der Plattform aus, sondern die Tatsache, dass sich heute eine grosse Population von Menschen vorstellen kann, ihre eigenen Wohnungen an Feriengäste zu vermieten und/oder selber in den Wohnungen fremder Menschen Ferien zu machen. Das war noch vor einigen Jahren nicht der Fall.

Es ist zu beobachten, dass traditionelles Vertrauen in Institutionen und Organisationen in den letzten Jahren zugunsten von Vertrauen in unabhängige Informationssysteme abgenommen hat. Diese Entwicklung hat ihre Wurzeln in der Digitalisierung. Rachel Botsman, Dozentin an der Saïd Business School der Oxford University schreibt: „the erosion of institutional trust is not only because we’re asking challenging questions about the structure and size of institutional systems, and the reputations of those who lead them. It’s because institutional trust isn’t designed for the digital age“4. Die klassischen Merkmale unseres Vertrauens in Institutionen und Organisationen beruhen auf deren Grösse, auf ihren hierarchischen/zentralisierten, standardisierten und geschützten Strukturen. In einer sich schnell verändernden Welt werden genau solche Merkmale aber zur Stolperfalle. Im Rahmen der Digitalisierung werden Netzwerkstrukturen, die ein effizientes Preis-/Leistungsverhältnis ermöglichen5, zur Normalität.

Inwieweit sich diese Veränderung der Vertrauensstruktur auf die Kundenbeziehungen von Banken auswirkt, zeigt zu einem Teil das Edelmann Trust Barometer 2018. Unter den Top Five der Faktoren, die das Vertrauen in Banken beeinflussen, stehen die «verständlichen Geschäftsbedingungen» ganz oben auf der Liste. Die persönliche Beratung durch den Kundenberater gehört zwar ebenfalls zu den Top Five, bildet allerdings das Schlusslicht. Gleichzeitig ist die Online-User-Experience Kunden bereits genauso wichtig wie die Interaktion mit realen Kundenberatenden, wenn es um die Wahl des Finanzinstituts geht. Für komplexe Beratungsthemen wünschen sich auch heute noch viele Kundinnen und Kunden einen realen Berater – aber bei einfachen Dingen wie dem Kauf einer Versicherungspolice oder dem Bestellen einer Kreditkarte brauchen die Kundinnen und Kunden keine Unterstützung mehr. Diese Ergebnisse decken sich mit den Erkenntnissen aus acht im Jahr 2017 durchgeführten Experteninterviews mit Führungskräften und Direktionsmitgliedern von Schweizer Banken zur Ausgestaltung zukünftiger Geschäftsmodelle sowie Rollen und Aufgaben von Bankkundenberatenden und der von ihnen geforderten Kompetenzen6.

Zukünftig ist davon auszugehen, dass Kundenberatende als Erstansprechpartner und Vertrauenspersonen bei komplexen Kundenanfragen die Kundenschnittstelle managen, persönlich und online – sie lösen Probleme, reduzieren Komplexität und leisten in Zusammenarbeit mit Fachexperten und Analysetools Beratung zu ganzheitlichen Themenstellungen. Aus diesen Funktionen und Aufgaben ergeben sich veränderte Ansprüche an ihre Kompetenzen. Diese sind zukünftig insbesondere: Veränderungsbereitschaft/Agilität inkl. Verfügbarkeit, Medienkompetenz, Kundenorientierung, Kommunikationskompetenz, vernetztes Denken und Fachwissen.

 

Weitere Lektüre:

Zum Thema Vertrauen im Banking gibt es auch einen interessanten Bericht von EY aus dem Jahr 2016: https://www.ey.com/gl/en/industries/financial-services/banking—capital-markets/ey-trust-without-it-youre-just-another-bank

 

1. Edelman (2018). 2018 Edelman Trust Barometer: Financial Services Edition. http://cms.edelman.com/sites/default/files/2018-03/Edelman_Trust_Barometer_Financial_Services_2018.pdf

2. Ebd.

3. Botsman, R. (2015). The Changing Rules of Trust in the Digital Age. Harvard Business Review. https://hbr.org/2015/10/the-changing-rules-of-trust-in-the-digital-age

4. Ebd.

5. Auge-Dickhut, S., Koye, B. & Liebetrau, A. (2014). Client Value Generation – Das Zürcher Modell der kundenzentrierten Bankenarchitektur. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

6. Uldry, Y. (2017). Rollen & Kompetenzen von Bankkundenberatenden im digitalen Zeitalter [unveröffentlichte Masterarbeit].

Yannick Uldry

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