Business Ecosystem, Innovation Ecosystem, Platform Ecosystem – Wie viele Ecosystembegriffe braucht es wirklich?

Ein grosser Teil dieses Blogs widmet sich der Frage, wie die heutige Wertschöpfung sich weg von der Fokussierung auf einzelne Unternehmen hin zu gemeinschaftlicher Wertschöpfung in Ecosystemen entwickelt. Diese Entwicklung führt unter anderem dazu, dass viel Forschung zu Ecosystemen geführt wird, was sich wiederum in einer Vielzahl an Ecosystembegriffen und -definitionen niederschlägt wie z. B. Digital Business Ecosystem oder Innovation Ecosystem. Dies erschwert auch dem interessierten Leser das Verständnis der dargestellten Forschungsergebnisse. Inwiefern unterscheiden diese Konzepte sich wirklich und kann man die Erkenntnisse des einen Bereichs auf den anderen übertragen? Diese Frage beantworte ich in diesem Blogbeitrag. Zunächst gebe ich der Vollständigkeit halber einen Überblick über die Definition und Bestandteile eines Ecosystems aus Sicht des Competence Center Ecosystems und untersuche im Anschluss anhand dieser Definition die Unterschiede zu anderen Ecosystembegriffen und deren Relevanz.

Definition eines Business Ecosystems aus Sicht des CC Ecosystems

Business Ecosysteme sind sich dynamisch entwickelnde Gemeinschaften eigenständiger sozialer und ökonomischer Akteure, die über abgestimmte Technologien, Normen und Regeln interagieren, um in gekoppelten Geschäftsmodellen gegenseitig Werte zu schaffen (Burkhalter 2020). Mit anderen Worten, alle Akteure in einem Business Ecosystem sind Value Co-Creators (Valkokari 2015) und können unterschiedliche Rollen einnehmen, wie Konsument, Orchestrator, Provider und Kontributor. Der Konsument nutzt die Kernleistung; der Orchestrator koordiniert die Leistungen zwischen den Teilnehmern durch die Steuerung und Regulierung von Wertflüssen; der Provider stellt Leistungen in Form von Produkten und Dienstleistungen bereit; und der Kontributor unterstützt die anderen Teilnehmer des Ecosystems mit Sub-Leistungen bei der Verwendung, Bereitstellung und Koordination der Kernleistung (Burkhalter 2020). Gemeinsam bilden sie neue Märkte, welche sich nicht mehr durch klassische Industrie- beziehungsweise Branchenkonzepte beschreiben lassen (Williamson und De Meyer 2019). Diese Märkte werden durch ein Business Ecosystem in einem Umfang bedient, der weit über die Fähigkeiten eines einzelnen Akteurs hinausgeht. Deren gemeinschaftliche Wertschöpfung ist auf eine übergreifende Zielstellung ausgerichtet. Als Illustration: Ubers Mission ist es, den (Personen-)Transport “as reliable as running water, everywhere for everyone” zu gestalten. Ein Business Ecosystem bildet sich daher um ein Kernwertversprechen, das sich durch spezifische Leistungen erfüllen lässt. Der Zweck stellt den gewünschten Zustand dar, den die Akteure gemeinsam zu erreichen versuchen. Der Interaktion und Zusammenarbeit liegen sowohl individuelle Fähigkeiten als auch Bedürfnisse eines jeden Akteurs zugrunde, welche im Business Ecosystem zielführend orchestriert werden müssen (Betz, Burkhalter und Jung 2019). Dies wird unter anderem durch den Einsatz von aufeinander abgestimmten Technologien, Werkzeugen und Vorgehensweisen erreicht. Damit das Business Ecosystem funktioniert, muss jeder teilnehmende Akteur seinen Beitrag leisten und auch seinen Nutzen aus dem Ecosystem ziehen können (Burkhalter 2020). Die einzelnen Leistungen der Akteure ergänzen einander komplementär, wodurch sich im Business Ecosystem schliesslich ein Angebot entwickelt, das grösser ist als die Summe seiner Teile (Jacobides et al. 2018; Peltoniemi und Vuori 2004). Ein weiteres Beispiel für ein Ecosystem sind die TED-Konferenzen mit dem Motto «Ideas worth spreading».

Kritische Reflexion von Business-Ecosystem-Konzepten in der wissenschaftlichen Literatur

Nachfolgend wird eine Auswahl an Typen von Business Ecosystemen präsentiert und gezeigt, wie auf Basis bestimmter Kriterien Business Ecosysteme definiert beziehungsweise abgegrenzt werden. Die einzelnen Ansätze beleuchten oftmals ähnliche Aspekte aus unterschiedlichen Perspektiven. So kann eine eher technisch orientierte Sichtweise mit einer Plattform im Zentrum durchaus helfen, Wertschöpfungs- und Interaktionsmechanismen zu verstehen. Jedoch kann die Perspektive keinen umfassenden Einblick auf die Beziehungen zwischen einzelnen Akteuren geben. Daher bringt eine Kombination der Perspektiven, abhängig vom Analysegegenstand, oftmals Vorteile mit sich.

Eine kritische und praxisorientierte Reflexion der Ecosystem-Typen ermöglicht die Ableitung der wesentlichen Aspekte eines Business Ecosystems, weshalb in Tab. 1folgende Business-Ecosystem-Typen nun näher betrachtet werden: Customer-centric Business Ecosystem, Digital Business Ecosystem, Innovation Ecosystem, IoT Business Ecosystem, Knowledge Ecosystem und Platform Ecosystem.

Tab. 1: Kritische Reflexion selektierter Business-Ecosystem-Typen

Tabelle 1 zeigt auf, dass Business-Ecosystem-Konzepte nicht immer klar trennbar sind. Die kritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Business-Ecosystem-Typen lässt daher folgende Erkenntnisse zu:

  1. Der Kunde mit seinen Bedürfnissen stellt einen zentralen Bestandteil dar und wird durch ein Kernwertversprechen adressiert.
  2. Die Wertschöpfung in einem Business Ecosystem basiert auf dem Konzept der Co-Creation von Produkten und Dienstleistungen, an der alle Akteure beteiligt sind.
  3. Business Ecosysteme benutzen meist eine Plattform als zentralen Knotenpunkt für die übergreifende Zusammenarbeit. 
  4. Technologien werden als Enabler gesehen, um Innovation voranzutreiben. Daher ist Digitalisierung ein wesentlicher Bestandteil eines Business Ecosystems.

Der Blogbeitrag ist ein Auszug aus einem wissenschaftlichen Projekt. Weitere Autoren sind Dr. Sara D’Onofrio,  FMsquare Foundation (Luzern); Ralph Hutter, Head Product Management Ecosystems, Finnova AG Bankware (Lenzburg);  Prof. Dr. Edy Portmann, Swiss Post Professor, Universität Freiburg.


Quellen

Adner R (2013) The Wide Lens: A New Strategy for Innovation. Portfolio/Penguin, New York.

Adner R (2017) Ecosystem as Structure: An Actionable Construct for Strategy. Journal of Management, 43(1):39-58.

Betz C, Burkhalter M, Jung R (2019) Prerequisites for Value Co-Creation in Business Ecosystems. Proceedings of the 25th Americas Conference on Information Systems, Cancun, Mexico, pp. 1-5.

Burkhalter M (2020) Allocentric Business Models – An Allocentric Business Model Ontology for the Orchestration of Value Co-Creation Using the Example of Financial Service Ecosystems. Dissertation. Universität St. Gallen, Schweiz.

Corallo A, Passiante G, Prencipe A (2007) The Digital Business Ecosystem. Edward Elgar Publishing.

Faber A, Riemhofer M, Rehm S-V, Bondel G (2019) A Systematic Mapping Study on Business Ecosystem Types. 25th Americas Conference on Information Systems, Cancun, Mexico.

Gomes LAdV, Facin ALF, Salerno MS, Ikenami RK (2016) Unpacking the innovation ecosystem construct: Evolu-tion, gaps and trends. Technological Forecasting & Social Change, Elsevier, 136:30-48.

Granstrand O, Holgersson M (2020) Innovation ecosystems: A conceptual review and a new definition. Technovation, 90-91.

Jacobides MG, Cennamo C, Gawer A (2018) Towards a Theory of Ecosystems. Strategic Management Journal, 39(8):2255–2276.

Mazhelis O, Luoma E, Warma H (2012) Defining an Internet-of-Things ecosystem. Lecture Notes in Computer Science, 7469 LNCS, Institute of Electrical and Electronics Engineers, Inc, pp. 1-14.

Peltoniemi M, Vuori E (2004) Business Ecosystem as the new Approach to Complex Adaptive Business Environ-ments. Proceedings of EBusiness Research Forum, January 2004:1–15.

Valkokari K (2015) Business, Innovation, and Knowledge Ecosystems: How They Differ and How to Survive and Thrive within Them. Technology Innovation Management Review, 5(8):17-24.

Williamson P, De Meyer A (2019) How to Monetize a Business Ecosystem. Harvard Business Review Digital Artic-les. pp. 2-4.

Stefanie Auge-Dickhut

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